„Lesen macht einen Menschen vielseitig,
Verhandlungen machen ihn geistesgegenwärtig,
Schreiben genau.“
Francis Bacon
Leben und Sprache
Schriftsteller sollten einmal Tankwart gewesen sein, mindestens, Nachtwächter, Bestatter, Boxer oder Apfelpflücker, … dann jedenfalls, wenn man Pressemitteilungen und Talkshows, allerlei Klappentexten oder Kurzbiografien Glauben schenken mag, die uns nahe legen, wie jemand gelebt haben muss, der jetzt vom Schreiben lebt.
Bei Journalisten, Öffentlichkeitsarbeitern und Werbetextern ist das einfacher. Von ihnen erwartet man vor allem eines: Praxis, Praxis und Praxis, d.h. viele Texte, viele Aufträge, viele Kontakte und Referenzen, viele Themen, Techniken und Strategien und viele und ausgezeichnete Leistungen in Sachen Kommunikation.
Dabei sind sich Autoren und Texter gar nicht so unähnlich. Und es ist schon richtig: Schreiben und Leben haben miteinander zu tun – und alle beide damit, was man erfahren hat, was einem widerfahren und wem man begegnet ist.
Aber so einfach ist es denn doch nicht … oder?
Erfahrungen und Theorie
Hier nun stellt sich jemand vor, der seit fast 30 Jahren vom Texten und Sprechen lebt. Der als Autor und Journalist, Dozent und Coach arbeitet, aber eher Wissenschaftler als – zum Beispiel – Schmuggler war, oder Astronaut, oder auch nur Supermarkt-Kassierer. Jemand, der viele Reisen unternommen hat, – weite, schöne, erlebnisreiche, im echten Leben, aber weit mehr noch mithilfe ausgedehnter Lektüren in allerlei Bibliotheken und Datenbanken. Jemand, der die Praxis schätzt und all die Erfahrungen, die er machen durfte, aber eben auch einen Hang hat zu Geschichte und Theorie. Schon weil er erfahren hat, wie es sein kann, mit ihrer Hilfe Neues zu entdecken, Dinge neu und anders zu verstehen, im Idealfall sogar begreifen zu können.
Aufgaben und Medien
Was also hat mich auf das Schreiben und Sprechen vorbereitet? Oder darauf hier zu lehren? Und wichtiger noch: Was legitimiert mich dazu?
Sicher ist es hilfreich, schon lange als Autor und Journalist gearbeitet zu haben und noch zu arbeiten, aber auch als Kultur- und Medienwissenschaftler, Radiomacher und „Mediencoach“, als Online-Texter, Öffentlichkeitsarbeiter und Ghostwriter, als Kritiker, als Lektor und Redakteur, als Herausgeber und Unternehmensberater, in Theater- und Medien-Dramaturgie sowie im Kulturmanagement.
Seit 1990 bin ich freier Mitarbeiter der ARD. Vor allem für den Bayerischen Rundfunk habe ich recherchiert, Tagungen organisiert, Konzepte für Sendereihen, Ausstellungen, Events und Museen, Magazine, Bücher, Hörbücher und Audioguides entwickelt.
Studium und Lehre
Vor und während all der Praxis habe ich studiert … in Erlangen und Wien – und zwar Literatur-, Theater- und Medienwissenschaft, Geschichte und Philosophie.
Und dann war da die Lehre. Ich selbst hatte immer wieder Lehraufträge, war Dozent an vier Universitäten und fünf Instituten, in Wien, Erlangen und Bayreuth für Medienwissenschaft und in Hagen für Vergleichende Europäische Literaturwissenschaft. Zuletzt lehrte ich noch am UNESCO-Chair on Arts and Culture in Education und unterrichtete dort Kulturanthropologie, Medienpädagogik und die „Geschichte der Sinne“.
Hören und Zuhören
Meinen „Doktor“ habe ich 1998 gemacht. Und promoviert habe ich über die „Kultur des Hörens“.
Überhaupt: Hören und Zuhören … Dieses Doppel-Thema begleitet mich nun schon seit Jahrzehnten – von der Rolle des Gesprächs und des Storytellings, vom spannenden Verhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, bis hin zu den Sound Studies (zu Stimmen, Musik, Geräuschen und Akustikdesign), zu Hörerziehung und Zuhör-Strategien. Und all dieses Hören ist mir schon deshalb wichtig, weil ich glaube, dass es hier noch viel zu entdecken gibt, und es als Thema zum Schaden vieler und viel zu lange schon vernachlässigt wurde.
Aber was hat das mit der Praxis Verbaler Kommunikation zu tun?
Medien-Adäquanz
Wer sich mit dem Hören beschäftigt, lernt, dass Kommunikation nicht nur eine Sache der Sinne, sondern auch eine der Medien sein muss. Dass Text eben nicht einfach Text ist, – sondern einer fürs Sehen oder fürs Hören, gestaltet für Print oder Vortrag, für Filme, Webseiten oder Games, für akustische oder audiovisuelle Medien oder für den Raum …
Viele unterschiedliche Themen, auch mal merkwürdige …
Und: Das Themenfeld Hören und Zuhören steht auch dafür, dass die Sujets eines Autors, eines Journalisten oder Texters ebenso ungewöhnlich wie vielfältig sein können.
So waren und sind sie es auch für mich.
Wie aber kann man über so verschiedene Dinge schreiben wie über Himmel und Hölle? Darüber wie Meinungen entstehen oder Begriffe, über Phantastische Reisen, Existenzgründungen und Mozart, über Metropolregionen, Magie, Theaterstücke, Bücher oder Filme, die Gegenwart der Renaissance, den Wald und den Cyberspace, über Karneval und Kleinst-Satteliten, Ritterburgen, Gewürze, Kunst und Geschichte, naturwissenschaftliche Erkenntnisse, technische Entwicklungen und mediale Trends?
Natürlich, indem man liest und recherchiert … aber auch: indem man Fragen stellt und zuhört.
Denn genau so nähert man sich fremden Themen und fremden Welten, lernt fremde Menschen und Denkweisen kennen, etwa die von Unternehmern, Erfindern und Entwicklern, Forschern und anderen Experten, von Zielgruppen, Lesern und Usern, … sicher auch die von Tankwarten, Apfelpflückern und Supermarkt-Kassierern.
Seit Juni 2011 ist Dr. Max Ackermann modulverantwortlicher Professor für den neu eingerichteten Bereich „Verbale Kommunikation“ an der Fakultät Design der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm.
Ackermann ist Mitglied verschiedener Jurys, arbeitet als Berater und Gutachter.