Wenn Worte Filme werden. Wie Autorenfilmer zu dem werden, was sie sind
Autorenfilmer: Das sind Filmemacher, die bei einer Produktion das Drehbuch schreiben und Regie führen. Aber was für Menschen sind das? Was haben sie als Person gemeinsam? Wie gehen sie an das Schreiben heran? Und: Wie stark wird ihre Arbeit von Produzenten oder Schauspielern beeinflusst? – Vier deutsche Autorenfilmer erzählen …
„Ich hab‘s auch schon so gemacht, dass ich bei der Suche nach Namen in Adressbüchern und Telefonbüchern Zufalls-Namen gewählt habe, und habe mir dann zu den Namen einen Charakter ausgedacht, der zu dem Namen passt. Aber der Name ist rein zufällig. Also Zufall ist ein hoch interessantes Inspirationsmittel.
Das bleibt nicht beim Zufall und hinterher ist es auch nicht mehr zufällig, weil man nimmt den Zufall nur zum Anstoß. Man kann Zufälle auch provozieren, z.B. wenn Sie nicht mehr wissen, wie es weitergeht, dann können Sie zehn verschiedene Lösungen machen und Sie würfeln, welche Sie davon nehmen. Und dann müssen Sie sich mit dem Ergebnis, dem Zufalls-Ergebnis, herumschlagen, und da kommen die guten Ideen, denn die Lösungen, die Ihnen dann einfallen, sind Lösungen, die kommen aus Ihrer tieferen Fantasie. Die Fantasie, die arbeitet nicht freiwillig, die muss auf eine Notlage reagieren und in diese Notlage bringt man sich durch Zufälle.“ (Edgar Reitz, Filmregisseur, Filmproduzent, Autor, Hochschullehrer, Professor)„Ich glaube, ob man an einer Filmhochschule war, macht, glaube ich, keinen großen Unterschied. Ich habe es auch ohne Filmschule geschafft. Es gibt super Leute von Filmhochschulen. Aber es gibt auch Leute, die an Filmhochschulen waren, die ich nicht so gut finde. Also, ich glaube, das ist einfach nur ein anderer Weg.
Was grundsätzlich Ihre Frage anbelangt, mit den Studenten …, so glaube ich, das ist bisschen ein Problem unseres geänderten Schulsystems – auch mit den zwölf Jahren Abitur. Ich finde die Leute sind einfach viel zu jung und zu unerfahren. Also wenn jemand mit 21 ein fertiges Studium hat, ist er einfach noch nicht reif. Und das merkt man. Der weiß vielleicht viel. Aber im praktischen Alltag haben die dann dann Angst, im Büro den Telefonhörer abzunehmen.“ (Chistian Zübert, Drehbuchautor und Filmregisseur)„Das Anstrengendste daran, finde ich tatsächlich das Kürzen. Weil es einem doch halt immer wieder passiert; man verliebt sich in jeden einzelnen Satz, auch wenn man sich vorher gesagt hat, ja, das ist jetzt erst mal nur so. Und da finde ich es zum Beispiel wahnsinnig hilfreich, zu mehreren zu schreiben. Da muss man sich natürlich auch erst mal so ein bisschen überwinden, quasi in den Szenen des anderen dann so ‚rum zu fuhrwerken und dem wieder Sachen rauszuschmeißen und die Sätze von dem umzustellen. Aber letztendlich ist es ’ne ganz gute Arbeit. Weil man einfach rigoroser mit dem Material von jemand anderem umgeht, als man mit seinem eigenen umgehen kann. Dann kommt man, glaube ich, schneller zum Ziel. Das heißt natürlich, dass man sich gegenseitig vertrauen muss, … die Autoren untereinander.“ (Boris Kunz, Drehbuchautor und Regisseur)
„Wenn man Glück hat, ist bei so einer Schreibsession ein guter Gedanke dabei ‚rumgekommen – und sehr viel Schrott. Ich hab‘ das Gefühl, dass das so bei mir funktioniert, dass ich immer viel Schrott produziere und schlechte Ideen. Und dann denke ich: „Ah, das ist gut!“ Und dann gucke ich, wie man das verbinden kann. Ich versuch‘ dann diesen Denkprozess zu verschriftlichen. Und das geht so, dass ich mich hinsetze und denke „Wenn das so wäre, könnte das so und so sein“ und irgendwie, im Laufe der mühseligen Wochen, schält sich dann etwas heraus. Dann nehme ich mir vor: „Okay, jetzt hab ich ein Gefühl, welche Elemente vorkommen“. Und dann ist es unterschiedlich: Ich versuche die Karteikarten so anzuordnen, dass sie Sinn ergeben, in der Abfolge. Das klappt auch nicht so ohne weiteres. Aber man hat ein materielles Verhältnis dazu: Man kann gucken … „Aha, hier fehlt was, da fehlt was“ . Und dann ergibt sich eine Struktur – und wenn die da ist, schaff ich es meistens, zu sagen: „Ich versuche jetzt ein Exposé zu schreiben“ – und das kann ich dann meistens.“ (Julian Radlmaier, Drehbuchautor und Filmregisseur)
Gavrilović, Boris/ Sarah Guber/ Zoë Jungmann/ Lasse van Schoor: Wenn Worte Filme werden. Wie Autorenfilmer zu dem werden, was sie sind. Nach Interviews mit Edgar Reitz, Filmregisseur, Filmproduzent, Autor und Hochschullehrer; Christian Zübert, Drehbuchautor und Filmregisseur; Boris Kunz, Drehbuchautor und Regisseur und Julian Radlmaier, Drehbuchautor und Filmregisseur. Gesprochen von Ralf Legat. Wintersemester 2017/ 2018 v. 20. Februar 2018 (= „Tell me about that …“ Creativity, Design and Media, Language and Writing. Verbale Kommunikation in der Praxis. Ein Podcast-Projekt; Nr. 045). – Dauer: 15:00 Min. [… Unter Verwendung rechtefreier Sounds und Musik – „Jazz_Sax1.wav“ – www.freesound.org/people/pc2752/ – Akkordeon in der Stadt – „accordion street musician 121205_01.wav“ – www.freesound.org/people/klankbeeld/ – und http://www.purple-planet.com …] – Quelle: https://d.th-nuernberg.de/vk/portfolio/wenn-worte-filme-werden/