Sie. Ein Drehbuch für einen Kurzfilm von Martin Kießling
Und der Autor schreibt dazu:
„Ich erinnere mich.
Es war Heiligabend 2013 und wie jedes Jahr sollte sich die Familie gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum versammeln. Meine Mutter rief mich nachmittags entnervt aus München an und bat um Hilfe: „Bitte sprich mit deiner Großmutter, sie möchte nicht mitkommen!“ Und tatsächlich half alles Überzeugen und Gut-Zureden nichts, meine Oma wollte lieber in Ruhe gelassen werden. Wir feierten Weihnachten zum ersten Mal ohne sie.
Am Tag darauf, dem ersten Weihnachtsfeiertag, klingelte das Telefon erneut, diesmal war meine Oma am andere Ende der Leitung. Warum sie keiner abhole, wollte sie wissen. Sie sitze auf gepackten Koffern in ihrer Wohnung und freue sich auf den gemeinsamen Weihnachtsabend im Kreise der Familie…Demenz. Ein Begriff, der mich jetzt seit vielen Jahren begleitet. Der langsame und unaufhaltsame Verlust des Gedächtnisses, der Erinnerungen, der erlernten Fähigkeiten, der Sprache, der Orientierung.
In meiner Abschlussarbeit widme ich mich diesem Thema in einem Drehbuch zu einem 30-minütigen Kurzspielfilm.
In „Sie.“ wird eine junge Frau mit der Demenz ihres Vaters konfrontiert und muss sich nach dem Tod der eigenen Mutter vor allem einer Frage stellen: Wie sehr muss man jemanden lieben, um das auszuhalten?
Es kommt zum Rollentausch, beim dem aus Kindern Eltern und aus Eltern Kinder werden. Anna Kuhnert, die Hauptfigur meiner Geschichte, lernt dabei nicht nur ihre eigenen Grenzen kennen, sondern auch die ihres Bruders Nils. Denn den eigenen Vater so zu sehen, ist eine schwere Prüfung, die zu einer Zerreißprobe für die Familie wird.“
Adeline Schebesch spricht einen Auszug aus „Sie.“ …
„“Sie.“ erzählt aber auch von anderen Seiten einer schrecklichen Krankheit, vom Verlust, von Gefühlskälte und Autoritätsanspruch eines Vaters, der seine Kinder liebt, es aber lange nicht zeigen konnte.
Demenz, so schreibt der Schriftsteller Arno Geiger in seinem Buch „Der alte König im Exil“, das ist „als würde ich dem Vater in Zeitlupe beim Verbluten zusehen. Die Persönlichkeit sickert Tropfen für Tropfen aus der Person heraus.““
E-Mail: info@martinkiessling.de