Was das so ist und sein kann,
diese „Verbale Kommunikation“ –
Warning: „Contains Language!“
„Writing is design“
(Steven Heller)
„Designers must write.“
(Eric Karjaluoto, Creative Director)
Was jetzt, wie jetzt … „Verbale Kommunikation“?
Einerseits ist Verbale Kommunikation etwas ganz Selbstverständliches; hat man Lesen und Schreiben doch längst schon gelernt, Sprechen sowieso, vielleicht sogar die eine oder andere Sprache außer der eigenen.
Auf der anderen Seite aber erahnt man einige Rätsel, höhere und andere Anforderungen, wenn es um den professionellen Einsatz von Sprache geht.
Und es könnte einen überraschen, was das umfasst und bedeutet.
Sprache und Gestaltung
Im Rahmen dieses Lehr- und Forschungsmoduls bedeutet Verbale Kommunikation:
Die Gestaltung mit Sprache,
durch sie,
ja sogar von Sprache selbst.
… in allen Medien
… und …
für alle Medien.
Dabei ist es relevant, was das mit Denken, Wissen und Gefühlen zu tun hat, mit dem Verhältnis von Medien und Sinnen, mit Erwartungen und Haltungen, mit Ethik und immer wieder mit Design.
Sprache denken – zwischen Wissen und Fühlen
Oft spielt Sprache im Design eine entscheidende Rolle, sicher aber häufiger als für gemeinhin angenommen.
Meist hat sie mit Denken und Wissen zu tun.
Denn Briefing, Recherche und Informationsvermittlung sind vorrangig sprachlich. Teams kommunizieren so. Und Konzepte brauchen Begriffe.
Was einmal geschehen soll, wird vorerst nur beschrieben – und auf dieser Basis auch verhandelt, beurteilt, angenommen, abgelehnt oder verändert … in Anschreiben, Plänen und Angeboten, in Pflichtenheften, Ideenskizzen und Anmerkungen, Loglines, Exposés, Treatments, Storyboards, Regieanweisungen, Dreh- und Produktionsbüchern usw. usw.
In Sprache kann sich das eigene Selbstverständnis ausdrücken, Professionalität und Kompetenz, Souveränität im Umgang mit Kritik, Erfahrung und Wissen, Weitblick und Transferdenken, Gedankentiefe und Verständnis.
Und Gefühle?
Kommunikation hat mit Psychologie zu tun und Sprache mit Emotion …
Gespräche und Nachfragen, Interviews und Verhandlungen verlangen Sensibilität und Vertrauen, ein Gespür für Zwischentöne und das Gegenüber, für Partner oder Gegner, Empathie und Konfliktbewältigung.
Und Präsentationen bedürfen der Präsenz wie der Rhetorik, zeigen Eloquenz und Leidenschaft.
Mit Sprache lässt sich motivieren und demotivieren. Wir können mit ihr zu Tode langweilen, provozieren und beruhigen, erzürnen, beleidigen, erfreuen oder ängstigen, wecken und erwecken.
Schon Wörter, ja einzelne Laute und Silben können ganze Welten eröffnen, auch Gefühlswelten evozieren. Denn Sprache hat immer auch mit Anspielungen und Assoziationen zu tun.
Und: Titel und Namen können Projekte prägen und über ihren Erfolg entscheiden. So triggern Naming und Wording. Nachweislich beeinflussen sie das Image, die Außenwirkung und die Akzeptanz von Produkten und Unternehmen, aber ebenso die Beziehung, die wir zu Figuren in Geschichten, Filmen oder Spielen aufbauen.
Sprache und Medien
Zu Medien verhält sich Sprache auf ihre besondere Weise …
Ohne Sprache sind Medien nicht zu denken.
Nachrichten und Liebesszenen, Werbespots, Zeitungsartikel, Blogs und Romane, Cartoons und Fotostrecken … Sprache überall. Sprachlosigkeit ist die Ausnahme: selbst im Stummfilm liest man Zwischentitel. Und auch hinter einer wortlosen Szene verbirgt sich: eine Beschreibung.
Denn mit Sprache lassen sich Bilder planen, ergänzen, kontextualisieren oder interpretieren, begreifbar oder lächerlich machen.
Der Witz oder die Erkenntnis können, ja manchmal müssen sie in einem beigegebenen Text liegen.
Auch Infografiken, auch Visualisierungen von Daten und Zusammenhängen bedürfen der Versprachlichung, als Legende und Beschriftung.
Sprache operiert multimedial, crossmedial und transmedial.
Ob mehrere Medien im Spiel sind, ob eine Geschichte immer wieder, aber für jedes Medium ein wenig anders, ob über mehrere Medien hinweg erzählt wird, oder Geschichten sich miteinander zu einem großen Ganzen verbinden, Comics, Filme und Games haben mit Texten zu tun, ja oft genug basieren sie auf ihnen – und der erste Einfall war vielleicht nur ein Satz.
Und auch beim „World Building“, das heutzutage transmedial gedacht ist, Star Wars und Entenhausen lassen grüßen, werden ganze Welten letztlich aus Wörtern erschaffen, in Datenbanken, Listen, Karten oder einer „Storyworld Bible“.
Sprache und die Sinne
Aber:
Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, eine bloße Lektüre nachvollziehbar oder gar sinnlich erlebbar zu machen.
Wenn da von einem Geruch zu lesen ist, riechen wir ihn dann? Oder ist er vor allem dazu da, eine Szene glaubwürdiger zu gestalten und uns in sie hineinzuziehen?
Manipuliert uns diese Sinnlichkeit?
Bekommen wir Appetit bei der Schilderung eines Geschmacks?
Und: Wenn ich „Blau“ schreibe, sieht der Leser es auch? Ahnt er, was damit gemeint sein könnte … auch über die Andeutung eines Sinneseindrucks hinaus und hin zu dem, was wir an Symbolen mit einer Farbe verbinden: von „Eisblau“ bis „Blues“, über die „Blaue Stunde“ bis hin zur „Blauen Blume“?
Selbst wenn wir es viel zu oft vernachlässigen:
Sprache hat immer auch mit unseren Sinnen zu tun, mal direkter, mal indirekter.
Denn Sinnesbezüge zeigen sich in Metaphern und sprachlichen Bildern, in Analogien und Vergleichen, mal als „Sound“ eines Textes, als Klang und Rhythmus, Satzmelodie und Stil, mal als erkennbare „Stimme“ eines Autors.
Zudem gilt:
Ein Text ändert sich ganz konkret in seinem Verhältnis zu unseren Sinnen – und da kommen wieder die Medien ins Spiel.
Denn ein Text wird ein anderer, je nachdem, wie eine Schrift aussieht oder ein Sprecher tönt, ob ihn Musik begleitet, eine langsame Kamerafahrt oder ein schneller Schnitt.
Und ein Text muss anders gestaltet sein, je nachdem, ob er gesehen oder gehört werden soll, ob man etwas davon anfassen kann, um ihn herum gehen, ihn vielleicht sogar verändern darf.
Was man von Sprache erwartet
Ob eine Stimme aus dem OFF spricht, ob Artikel oder Rede, ob Songtext oder Krimi, oder der Claim einer Werbekampagne, ob in Ghostwriting, Audiokommentar, Bildlegende oder Grußkarte, ob Gebrauchsanweisung oder Unternehmenskommunikation, ob als Aufschrift eines Messestands, ob in „Storytelling“ oder „Branding“, ob auf Webseiten oder im Computerspiel, …
… überall wünscht man sich etwas von Sprache.
Zum Beispiel, dass sie „Dinge auf den Punkt bringt“, „etwas mitschwingen lässt“, „packend“, „klar“ und „verständlich“, „eingängig“, „lebendig“, „gut informiert“, „originell“, „schön“, „witzig“, „spannend“ oder „clever“ sei …
Manchmal nur eines davon, manchmal alles zugleich.
„Passen“ soll sie (zu Situation oder Raum, zu Medium und Gefühl, zu Auftraggeber, Publikum oder Zielgruppe, Tonalität oder Erwartung, Sprachniveau und Semantischem Feld, zu Rechtssicherheit oder Spielraum, zu Geheimnis oder Lösung).
Auch „verblüffen“, „verführen“ oder „überzeugen“ will sie, „überwältigen“, „klären“ oder „aufklären“, und beinahe immer …
„aufmerksam machen“,
„interessieren“ und …
möglichst „lange in Erinnerung bleiben„.
Textsorten sind Haltungen
Doch ein Werbetext ist keine Literatur, Journalismus keine Öffentlichkeitsarbeit, ein Monolog ist kein Dialog und ein Drehbuch keine Erzählung.
Denn:
Hier geht es nicht nur um verschiedene Textsorten oder Formen, sondern im Grunde um unterschiedliche Aufgaben, auch um Haltungen gegenüber Themen, Gegenständen, Menschen und der Wirklichkeit.
Will man berichten oder Geschichten erzählen?
Sind die Geschichten selbst das Wichtigste – oder etwas, das sie vermitteln sollen?
Geht es dabei um Erfahrungen, Wissen und/ oder Erkenntnisse?
Soll unterhalten werden?
Soll kritisiert, informiert oder verkauft werden?
Was muss, was kann – und was darf nicht verkauft werden?
Eine solche Haltung zu finden und einzunehmen, bedeutet eine enorme Verantwortung.
Ethik und Design
Und das gilt auch (und gerade) dann, wenn alte Grenzen durchlässiger werden, wenn mittlerweile vieles ineinander übergeht, so genannte „Originaltöne“ und Lyrik in der Werbung auftauchen, „Corporate Publishing“, „Sponsored Content“ oder „Native Advertising“ wie Journalismus aussehen, Wissensvermittlung „Infotainment“ sein will, Fiktives in Sachbuch, Dokumentarfilm oder Feature erscheint, im Fernsehen „Scripted Reality“ üblich ist und Reportagen schon einmal literarisch sein dürfen, im Extremfall aber: „Borderline Journalismus“ sind, wenn Headlines vor allem Klicks generieren wollen und als SEO, also: als für Suchmaschinen optimierte Texte, eher Computer-Algorithmen meinen als menschliche Leser … und all das vor dem Hintergrund einer Aufmerksamkeitsökonomie.
Dass es diese Mischformen, Übergriffe und Neu-Definitionen gibt, hat Gründe: historische und kulturhistorische, wirtschaftliche, technische, ästhetische und wirkungsästhetische. Ihr Gebrauch aber wirft auch Fragen auf, … nicht zuletzt die:
Was man alles tun kann – und will – was es bewirkt und welche Folgen es hat.
Und das sind ganz schlicht: ethische Fragen, Fragen nach Wollen und Sollen, nach Entscheidungen, Bewusstsein, Selbstverständnis und Persönlichkeit, aber auch solche des Designs.
Verbale Kommunikation als Fach und Modul
Sprach-Design vermittelt …
unterschiedliche Gattungen und Genres, …
in dem es anregt, Sprache in verschiedenen Kategorien, …
in funktionalen und medialen Zusammenhängen …
wahrzunehmen und zu analysieren.
Verbale Kommunikation schult den Ausdruck …
und begünstigt einen kreativeren Umgang mit Sprache.
Sie konfrontiert mit praxisnahen Gestaltungsaufgaben – …
und offeriert Ansätze für adäquate Lösungen.
Sie zeigt Alternativen, Traditionen und Innovationen.
Dabei bedenkt sie die Ziele des Kommunzierens, …
untersucht Kommunikationssituationen und -bedingungen, …
erlebt Auftraggeber, Zielgruppen, Leser, User und Rezipienten …
und ihre Erwartungshaltungen.
Verbale Kommunikation als Angewandte Wissenschaft
Verbale Kommunikation ist Forschung und Angewandte Wissenschaft.
Sie nützt und integriert, ergänzt, erprobt, relativiert und kritisiert die Ergebnisse von Sprach- und Literaturwissenschaft, Publizistik, Kommunikations- und Medienwissenschaft.
Sie findet und artikuliert Einsichten vor dem Hintergrund von Anthropologie und Historischer Anthropologie, Neurobiologie und Kognitionsforschung, Psychologie und Soziologie, Geschichte, Kulturwissenschaft und Philosophie.
Schlussendlich eröffnen Fach und Modul …
neue Möglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks, …
für Kommunikation und …
Reflexion.
Und wenigstens das ist zum Staunen – auch wenn man vorher schon gelernt hat, wie das ist, mit dem Lesen und dem Schreiben und der Sprache.