Eine sonnendurchflutete Wiese in der Fränkischen Schweiz umgeben von sanften Hügeln und rauschenden Wäldern in sattem Frühlingsgrün. Eine Gruppe von 17 Studierenden und zwei Lehrenden – Prof. Lucia Scharbatke und Prof. Tilman Zitzmann – stolpert aus dem Wald und irgendjemand sagt: „Das ist der perfekte Ort für eine halbe Stunde Pause!“
Alle lassen ihre Rucksäcke fallen, machen es sich im Gras und auf den Bänken bequem und zücken ihre Skizzenbücher.
„Hier ist ihr Creative Prompt: One-line drawing! Schauen Sie sich um und halten Sie Ihre Umgebung mit in nur einem Strich fest, ohne den Stift abzusetzen.“
Eine magische Stille senkt sich während alle nacheinander in einen kreativen Flow versinken, die großartige Umgebung einsaugen, zeichnen, fotografieren oder in ihre mitgebrachten Brote beißen.
So ging das vier Tage lang bei den „Creative Hikes“, einem Angebot in der Projektwoche. Unterwegs waren wir vor allem zu Fuß, manchmal unterstützt durch die Gräfenberg-Bahn und Linienbusse.
Ein gemütliches altes Landhaus in der Nähe von Egloffstein war unser erstes Ziel und dann unser Base Camp. Von dort aus genossen wir die Natur bei ausgiebigen Wanderungen über Berge und Täler, Dörfer, Wiesen und Wälder. Mit Skizzenbuch, Smartphone und Kamera konnten wir ganz entspannt auch unterwegs kreativ werden.
Die dabei entstandenen Zeichnungen und Fotografien können sich sehen lassen.
Die Creative Hikes haben gezeigt, wie produktiv und befreiend es sein kann, den kreativen Prozess mal aus dem Seminarraum in die Natur zu verlagern. Frische Luft, Bewegung und gemeinsames Erleben schaffen einen ganz besonderen Flow – ohne Leistungsdruck, aber voller Inspiration.
Bilder: Laura Lucchesi (Zeichnung) und Tilman Zitzmann Text: Tilman Zitzmann
In der Projektwoche „Slow Down“ tauchten die Studierenden in die vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten des Siebdrucks ein.
Anders als bei einem individuellen Gestaltungsprozess stand hier das kollektive Arbeiten im Vordergrund …
Die Entwürfe der einzelnen Studierenden wurden bewusst miteinander verschmolzen. So entstanden überraschende, vielschichtige Muster, die durch einen spielerischen und experimentellen Umgang mit Formen, Farben und Strukturen geprägt waren.
Der Titel „Slow Down“ bezog sich nicht auf das Arbeitstempo, sondern auf eine bewusste, prozesshafte Auseinandersetzung mit Gestaltung innerhalb eines Teams.
Innerhalb von nur drei Tagen entwickelten die Studierenden gemeinsam eine Mode-Kollektion, bedruckten mithilfe von Siebdruck Textilien, organisierten ein Fotoshooting zur Präsentation ihrer Arbeiten und gestalteten eine begleitende Publikation zu Prozess und Produkten im Risografie-Druckverfahren.
Das Projekt förderte nicht nur technische Fertigkeiten im Siebdruck, sondern auch Teamarbeit, gestalterisches Experimentieren und konzeptionelles Denken im kollektiven Gestaltungsprozess.
22 Studierende und Berlin, ganz nah. Im Rahmen der Projektwoche 2025 gab es die Möglichkeit, verschiedene Design- und Kunst-Angebote in Berlin kennenzulernen. Das Ziel der Projektwoche hier war es, das kreative Potenzial der Hauptstadt zu vermitteln und den Studierenden einen Einblick in verschiedene Aufgaben, Berufsfelder und mögliche Karrieren im Designbereich zu offerieren. Ganz zu schweigen von Kontakten und den Folgen für das eigene Netzwerk. Dafür hatten Prof. Christine Albert und Prof. Dr. Christoph Schaden ein erstaunliches Programm zusammengestellt.
In diesem Zusammenhang besuchten wir die Agenturen Neue Gestaltung und Neulant van Exel, das Atelier von Tina Berning und das Studio von Babette Wiezorek und erlebten Grafikdesign, Typografie und Illustration, Raum-Gestaltung und Produktdesign, Storytelling und Mixed Media, vielfältige Formen von Digitalem und Analogem, sowie Verbindungen zwischen Design und Kunst.
In der Agentur Neue Gestaltung führte uns einer der Gründer, Pit Stenkhoff, durch verschiedene Projekte und deren Entwicklungsprozesse. … Denn zu behaupten, dass dieses Büro „vielfach preisgekrönt” wäre, wäre irgendwie untertrieben: Diverse ADC Awards, 100 Beste Plakate, DDC Deutscher Designers Club Gute Gestaltung, ISTD – International Typographic Award, Red Dot Award, German und European Design Award …
Oder wie heißt es auf der Website? „Mit einem starken Fokus auf Art Direction, Editorial Design, Corporate Identity und innovative digitale Anwendungen engagieren wir uns in kulturellen und kommerziellen Projekten gleichermaßen. Mit Form, Farbe, Schrift und Code schaffen wir einzigartige visuelle Erzählungen …”
Die Agentur Neulant van Exel präsentierte uns beeindruckende Projekte im besonders großen Maßstab.
„Wir sind Künstler. Architekten. Musiker, Skateboarder, Familienmenschen und Verrückte. Wir lieben es zu kreieren – zu entwerfen und zu bauen. Denn wir sind Macher. Erfinder von Formen. Gestalter. Wir lieben Storytelling und Events. Wir denken und konstruieren alles, solange es nicht konventionell ist. Wir kennen keine Grenzen. Nur Herausforderungen. Und die lieben wir, leidenschaftlich. Die Form folgt der Fantasie. Ja, wir sind Nerds. Möbelbauer. Raumgestalter. Menschen, die Träume wahr werden lassen. Wir bringen Ideen zu Erlebnissen. Wir passen nicht in eine Schublade. Außer in das, was Sie sich am meisten wünschen. Eben. Wir verändern ständig die Welt. Wir finden Lösungen. Während andere festen Formeln folgen, arbeiten wir nach der NvE-Formel. Neue Ideen, mutige Exzentrik. Für (fast) jeden Kunden. Manche sagen, dass NvE nie gleich ist, visionär, außergewöhnlich. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wir werden immer anders bleiben.”
Danach zeigte uns die Illustratorin und Künstlerin Tina Berning ihr Atelier und erläuterte anschaulich, was es bedeutet, als Illustratorin zu leben und zu arbeiten.
Auffällig vielleicht: eine räumliche Aufteilung, die es ihr ermöglicht, während ihres Schaffensprozesses, das analoge und digitale Arbeiten zu trennen. Und besonders eindrücklich: all ihre Publikationen, ausgestellten Werke und Bemerkungen zum Vertrieb ihrer Kunst.
Am letzten Tag dann gewährte uns die Produktdesignerin und Kunsthistorikerin Babette Wiezorek noch allerlei Innenansichten, auf ihre Arbeit und speziell zum Thema Digital Porcelain Manufacturing, bzw. „additive, computergestützte Fertigung mit fluiden Materialien“, eines der vielen neuen Beispiele dafür, wie sich im gegenwärtigen Design Digitales und Analoges miteinander vermischen, ergänzen und befruchten.
Außerdem besuchten wir Museum und Ausstellungshalle Hamburger Bahnhof, das neben aktuellsten Kunstwerken auch die Entwicklung der Bildenden Kunst von 1960 bis heute thematisiert.
Eine Woche lang stellten uns Designer*innen und Künstler*innen, die bereits sehr erfolgreich sind, ihre Arbeit vor. Darunter auch viele Ehemalige unserer Fakultät.
Dadurch gewannen wir ein tieferes Verständnis für unterschiedliche Arbeits-, Design- und Umsetzungsformen – was uns sowohl Inspiration als auch praxisnahe Eindrücke vermittelte.
Bilder: Niklas Jörg Hofmann Text: Niklas Jörg Hofmann, Max Ackermann
Wieder einmal Projektwoche, die Fakultät Design und Bella Italia. Das hat schon eine Tradition, eine längere und gute Geschichte. Im Endeffekt hat ja alles dort seinen Anfang genommen, in Italien. Hier hat sich die Frage beantwortet, ob eine jährliche Auszeit aus den normalen Abläufen einer Hochschule wertvoll und für ein Design-Studium sogar notwendig ist.
Rund tausend Kilometer weit weg und schon eine ganz andere Stimmung, ein anderes Lebensgefühl und ein anderer Blick auf die Welt. Wohnen, Leben und Arbeiten in einem ehemaligen Kloster …
So viel Entdecken, auch Genießen, so viel kreatives Arbeiten und vor allem auch so viel Zusammenarbeit … Zeichnen und Illustrieren, analoges (!) Fotografieren, Hands-on-Cyanotypie und 3D-Experimente in CGI …
Was daran ist nun „urlaubig“ und was schon höchste Konzentration? Wie findet man zueinander und lernt sich gegenseitig zu helfen? Wie spricht man Stunden um Stunden über Projekte? Wie inspiriert man sich, mit Wissen, Tipps, Tricks und Meinungen? Wie steigt man tiefer ein und lernt sich dabei besser kennen und schätzen?
Wie respektiert man die Kreativität der anderen, bildet Teams und am Ende eine Gruppe? Wie präsentiert man überall und dauernd? Und wie feiert man sich auch mal glücklich?
Wir gratulieren Minh Voll zum Talent Award des Art Directors‘ Club Deutschland (ADC) für ihr Buch „Westlicher Wasserspinat. Geschichten einer deutsch-vietnamesischen Generation”, das gleichzeitig ihre Bachelorarbeit war.
Der ADC-Award … Mit dem Talent Award zeichnet der ADC junge Kreative für herausragende Kommunikations- und Gestaltungsleistungen aus. Dafür honoriert die ADC Jury neben den Einreichungen im ADC Wettbewerb auch die wegweisendsten Kommunikationsleistungen der Nachwuchskreativen.
Zum dritten Termin des Designers’ Circles im Sommersemester 2025 lud der ehemalige Ohm-Student Jonathan Danko Kielkowski ins Kulturgewächshaus Fürth – ein Ort, der ebenso ungewöhnlich ist wie seine Laufbahn. Eingeleitet wurde der Abend von Prof. Dr. Christoph Schaden, der daran sich erinnerte, wie Jonathan während seines Studiums mit Dokumentarfotos aus dem Wrack der Costa Concordia in seinem Büro auftauchte. Für eine Bachelorarbeit konnte er die Fotos schließlich nicht verwenden, aber Jonathan veröffentlichte kurz nach dem Studium ein Fotobuch – dessen Herausgeber: Christoph Schaden.
Doch Jonathan sprach an diesem Abend nur kurz über seine kurze Karriere als 3D-Artist und seine Tätigkeit als künstlerischer Dokumentarfotograf. Stattdessen führte er die rund 60 Besucher*innen durch das Kulturgewächshaus: Ein über 80 Jahre altes Gärtnerei-Gelände, das heute gemeinschaftlich genutzt wird – als Ort für Kultur, Kunst und nachhaltige Gartenpraxis. Dabei immer im Fokus: Umbauen, weiterdenken, neu verwenden. Das Kulturgewächshaus lebt von Improvisation, Gemeinschaft und dem Vertrauen darin, dass es schon irgendwie wird. Dabei recycelt das Kollektiv unterschiedliche Materialien und reißt in Eigenregie schon mal ein altes Wohnhaus ab – nur um Türrahmen zu Beeten zu machen und geschnitzte Balken in die Bar einzubauen. Das stiftet Identifikation und verdeutlicht auch physisch, wie an diesem Ort alles zusammenkommt.
Der Mut, Dinge auszuprobieren, mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist, und aus Herausforderungen Gestaltungsräume zu schaffen, ist die große Parallele zwischen dem Kulturgewächshaus und dem Designstudium. Und Jonathans Biografie zeigt eindrucksvoll, dass es viele Wege gibt, wie sich eine Design-Karriere entwickeln kann. Damit war der Ort nicht nur Kulisse, sondern selbst Teil des Programms – ganz im Sinne des Designers’ Circle, der den Studierenden ermöglichen soll, Kreativorte in Nürnberg und Umgebung kennenzulernen.
Das Projekt REBEL PRINTS – The Poster Rex Manifesto von Prof. Markus Lange und Prof. Lars Harmsen (FH Dortmund) wurde beim renommierten TDC71 Kommunikationsdesign-Wettbewerb des Type Directors Club New York mit dem Certificate of Typographic Excellence geehrt!
Die international besetzte Jury wählte das Werk für die Veröffentlichung im legendären Jahrbuch des Type Directors Club, The World’s Best Typography®. Darüber hinaus wird REBEL PRINTS Teil der offiziellen TDC71-Ausstellung in New York City sein – im Rahmen der Creative Week am Dienstag, den 13. Mai 2025, im The One Club for Creativity.
Doch damit nicht genug: Die ausgezeichneten Arbeiten gehen im Anschluss auf Weltreise. Die Wanderausstellung zeigt die preisgekrönten Designs in führenden Museen, Hochschulen und Galerien rund um den Globus – unter anderem in den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Japan, China, Spanien, Südkorea, Neuseeland, Polen und Taiwan. Weitere Stationen kommen laufend hinzu.
Der Type Directors Club (TDC) New York https://tdc.org/ ist eine der weltweit renommiertesten Organisationen im Bereich Typografie und Schriftgestaltung. Gegründet wurde der Club im Jahr 1946 in New York City mit dem Ziel, die Qualität und Bedeutung typografischer Gestaltung zu fördern, zu ehren und weiterzuentwickeln.
Prof. Markus Lange hielt sich in der vergangenen Woche in Graz auf, um einerseits seine Ausstellung Rebel Prints zu eröffnen und andererseits im Rahmen eines internationalen Workshop-Programms die Auslandsbeziehungen zu unserer neuen Partnerhochschule FH JOANNEUM in Graz aufzubauen.
Vom 12. bis 15. Mai 2025 leitete das Künstlerduo POSTER REX — Lars Harmsen und Markus Lange — einen intensiven Designworkshop in Graz. Die Veranstaltung war Teil der International Design Week 2025, organisiert von der FH JOANNEUM — University of Applied Sciences, Institut für Design und Kommunikation. Die Abschlusspräsentation fand am 16. Mai statt und bot einen Einblick in eine kollaborative und prozessgesteuerte Erkundung von politischer Sprache, experimenteller Typografie und analogen Drucktechniken.
Der Workshop begann mit einem tiefen Eintauchen in die Sprache – genauer gesagt in prägnante, politische Aussagen, die mithilfe künstlicher Intelligenz bearbeitet und verändert wurden. Diese von künstlicher Intelligenz generierten Sätze reichten von poetisch bis absurd und dienten als Anstoß für Reflexion, Kritik. Anstatt als passives Werkzeug zu fungieren, wurde die KI als Mitautor behandelt – sie lieferte Rohmaterial, das infrage gestellt, umgestaltet oder angenommen werden konnte.
Um die Texte visuell zu interpretieren, entwickelten die Teilnehmer Piktogramme, Symbole und kleine Illustrationen. Diese grafischen Elemente verstärkten entweder die Botschaften oder widersprachen ihnen bewusst, wodurch sie noch komplexer und nuancierter wurden.
Anschließend wandte sich die Gruppe einer Reihe von experimentellen Online-Typografie-Tools zu. Diese Plattformen ermöglichten spielerische, glitchige und unkonventionelle Schriftmanipulationen. Screenshots der überzeugendsten Ergebnisse wurden zum Rohmaterial für das Design, das später neu abgemischt und je nach Ton und Absicht zusammengestellt wurde. Der Prozess stellte Intuition über Perfektion und ermutigte zu einem Designansatz, der unordentlich, kühn und lebendig war.
Ein wichtiger Bestandteil des Workshops war der Siebdruck – ein praktischer Prozess, der die Entwürfe in die physische Welt brachte. Jeder Teilnehmer schuf Drucke, die einzigartig, ausdrucksstark waren. Die Entwürfe, die nicht im Siebdruckverfahren hergestellt wurden, wurden digital produziert und zu einer großen Wandcollage zusammengestellt – einem wachsenden Archiv visueller Experimente und Proteste.
Parallel dazu dokumentierte ein kleines Redaktionsteam den Workshop in einer gedruckten Publikation, um die Energie und die Ideen des Workshops über die Plakate hinaus zu bewahren.
Die Ergebnisse werden im Rahmen der Ausstellung „Rebel Prints“ präsentiert, die während des Designmonats Graz 2025 vom 9. Mai bis 1. Juni im Festivalzentrum Hornig Areal stattfindet. Die Ausstellung zeigte die Arbeit von POSTER REX — ein laufendes Projekt, das sich mit populistischer Propaganda auseinandersetzt und die politische Dimension der visuellen Kommunikation beleuchtet. Durch Live-Siebdruck, großformatige Bilder und partizipatorische Installationen stellte „Rebel Prints“ Design als eine Form des Widerstands und das Plakat als ein Medium des Dissenses vor.
Weitere Informationen über die Ausstellung finden Sie unter: 👉 https://www.designmonat.at/en/event/rebel-prints/
Siebdruck-Workshop-TeilnehmerInnen der FH Dortmund, Valencia und Graz: Denise Steinbauer Melissa Smajić Julia Núñez Nele Kreuger Nick Patzak Carola Hinojosa Julia Pfäfflin Aylin Aktas Katrin Reder Isabella Aistleitner (Danke für die Zusammenfassung, die zu diesem Text geführt hat) Luisa Pieper Yara Skamletz Magdalena Straka
Die Produktdesignerin und Künstlerin Babette Wiezorek war zu Gast im DESIGNVEREIN, um im Rahmen des Designers‘ Circles über ihre Arbeit mit Porzellan und keramischen Materialien zu sprechen, die sich besonders durch die Verbindung von Handwerk und digitaler Technologie auszeichnet.
Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Auseinandersetzung mit Porzellan und anderen keramischen Materialien, wobei sie die Möglichkeiten des 3D-Drucks auslotet. Ihr Prozess basiert auf einer tiefen Kenntnis sowohl manueller Keramiktechniken als auch digitaler Verfahren. Sie versteht Design als eine Form der Kommunikation und sich selbst als „Bindeglied“ zwischen Material, digitalen Aspekten und dem maschinellen Setting.
Dabei muss sie die Materialeigenschaften des Porzellans und seine statischen Grenzen antizipieren. Dieser Ansatz führt zu einem „Formfinden“ statt einem klassischen Formgeben, bei dem das Materialverhalten mitgestaltet. Sie schätzt die sinnlichen Qualitäten des Materials und sucht Verbindungen „zwischen Codes und Material, zwischen Präzision und Unschärfe, zwischen Digitalität und Empathie“.
Die additive Fertigung erzeugt charakteristische horizontale Rillenstrukturen. Die entstehenden Formen ähneln oft textilen Oberflächen und zeichnen sich durch filigrane, komplexe Strukturen aus. Sie vergleicht den 3D-Druckprozess mit organischem Wachstum, bei dem sich alles gegenseitig beeinflusst, und möchte Ideen wie jene des Anthropologen Tim Ingolds, der Formen als Resultat von Interaktionen zwischen Materialien, humanen und nicht-humanen Akteuren und Umwelten auffasst, in ihre Arbeit einbringen).
Durch den 3D-Druck kann sie zudem Gestaltungsmöglichkeiten umsetzen, die anders nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich wären, wie Hinterschneidungen, Hohlkammern oder Gitterstrukturen. Ihre Objekte sollen Resonanz zwischen sich selbst, den Prozessen ihrer Entstehung und den Menschen erzeugen.
Wie bei traditionellen Keramiktechniken, bei denen Formen oft durch das Aufeinanderlegen von Tonsträngen oder „Würsten“ aufgebaut werden, arbeitet Babette Wiezorek bei ihren 3D-gedruckten Porzellanobjekten ebenfalls mit einer Art Linienführung. Der programmierte „Fahrweg“ des 3D-Druckers legt das pastöse / semi-fluide Porzellan Schicht für Schicht ab, wodurch sich die Form additiv aufbaut – ein Prozess, der, obwohl technologisch völlig anders, das Prinzip des Gestaltens durch das sukzessive Hinzufügen von Materiallinien oder -schichten aufgreift.
Babette Wiezorek verwendet speziell für den 3D-Druck optimierte Mischungen aus handelsüblichen Weichporzellanen wie Limoges und Mont Blanc. Nach der additiven Formgebung durchlaufen die Objekte klassische keramische Verarbeitungsschritte – vom Schrühbrand über das Glasieren bis zum abschließenden Glasurbrand.
Unter ihrem Studio Additive Addicted vertreibt sie ihre Werke über verschiedene Kanäle wie Onlineshop, Galerien und Messen. Zudem teilt sie ihr Wissen im Sinne von „Sharing is caring“ durch Lehrtätigkeiten und technologisches Konsulting. Ihre Arbeit, wie in Serien wie „Alchymia digitalis“ und „States of Flux“ zu sehen, zeigt die fortlaufende Erforschung der Beziehung zwischen Material, Technologie und Form.
Text und Fotos: Giuseppe Troiano, Babette Wiezorek