AI FASHION WEEK NY – Die Designerin Sara Rami im Interview

Grenzen durchbrechen, neue Ideen entwickeln und etwas Einzigartiges schaffen – das soll alles mit dem besonderen Einsatz von Künstlicher Intelligenz erreicht werden. Wie das Ganze aussehen kann, zeigt uns die weltweit erste KI-generierte Fashion Week in New York City. Eine unserer Designstudierdenden schaffte es mit ihrer Kollektion in die Endausscheidung. Sara Rami, auf Instagram aka Marina Embrace , präsentiert „Dessert Bloom“. – Thuy An Nguyen von der Designredaktion hat sie interviewt.  

Kannst du in deinen eigenen Worten erklären, was die AI Fashion Week ist?

Die AI Fashion Week ist die weltweit erste Fashion Show, die sich auf rein KI-generierte Mode konzentriert. Das Ziel der Veranstaltung ist es, alte Grenzen zu überschreiten, neue Wege zu gehen und etwas Einzigartiges zu schaffen, das es in dieser Form noch nie gegeben hat.

Durch KI-generierte Kleidungsstücke, aber auch ganze Runway-Shows sollen der Modeindustrie frische Perspektiven eröffnet werden, die zeigen, wie vielfältig und innovativ die neue Technologie eingebracht werden kann.

Kannst du etwas von der Kollektion erzählen, die du eingereicht hast?

Meine eigene Kollektion heißt „Desert Bloom„. Vom Minimalismus inspiriert, betont die Kollektion, wie notwendig Maßnahmen gegen den Klimawandel sind. Der Begriff „Wüste“ symbolisiert für mich eine von der globalen Erwärmung betroffene Zukunft. Das „Bloom“ aber steht für Hoffnung.

Die Kollektion besteht aus rund 30 modernen und nachhaltigen Looks, die alle mit Hilfe von KI und Bearbeitungsprogrammen kreiert wurde. Sowohl die Models, die Kleider als auch die Fashion Show sind auf den Arbeiten komplett digital. Die Besucher*innen konnten jedoch die Werke vor Ort in New York auf digitalen Bilderrahmen betrachten.

Sollte die Kollektion umgesetzt werden, wird sie aus leichten, atmungsaktiven Stoffen wie Leinen, Seide und Baumwolle bestehen. Ich setze auf Nachhaltigkeit, indem ich für meine Schmuck- und Kleidungsstücke auf natürliche und wiederverwendbare Materialien zurückgreife und ablenkende und unnötige Accessoires vermeide. Die Materialien stammen aus ökologischem Anbau und wurden unter fairen Bedingungen produziert.

Mir war es natürlich einerseits wichtig, etwas zu kreieren, das den formalen Vorgaben entsprach. Also etwas, das Ready-to-wear und ästhetisch ansprechend ist.  Aber andererseits wollte ich damit viel mehr, nämlich die Chance ergreifen, auf ein wichtiges Thema aufmerksam zu machen.

Waren dir die Themen schon immer wichtig, oder gab es einen Wendepunkt, durch den du in diese Richtung gehen wolltest?

Faktoren wie der Klimawandel und die Umweltverschmutzung haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass es an der Zeit ist, Verantwortung zu übernehmen und unser Verhalten anzupassen.

Die Themen Nachhaltigkeit und Minimalismus werden für mich immer wichtiger. Ich merke, dass es an der Zeit ist, dass wir als Individuen handeln, um ein großes Umdenken anzustoßen. Bevor wir auf andere zeigen, sollten wir uns zuerst selbst reflektieren. Aber ich denke, wir müssen als Gesellschaft unsere Gewohnheiten hinterfragen und aktiv handeln, um einen positiven Einfluss auf unsere Umwelt zu nehmen.

Für mich wäre ein möglicher Ansatz Minimalismus. Wobei man sich ganz einfach fragt, was man wirklich braucht und was nicht. Aber auch das Upcycling bereits verwendeter Ressourcen ist so wichtig. Dinge, die wir nicht recyclen können, sollten in irgendeiner Form wiederverwendet werden, indem sie als Kunst, Schmuck oder sogar als Bestandteil neuer Materialien integriert werden.

Die Möglichkeiten sind endlos, wenn wir unsere Kreativität nutzen. Daher habe ich mich bewusst für die Themen Nachhaltigkeit und Minimalismus entschieden – und versuche, diese Werte durch meine Bilder zu vermitteln.

Wie hast du dich auf die Fashion AI vorbereitet und wie hast du gearbeitet? Gab es dabei besondere Herausforderungen?

Ich habe mir natürlich im Vorfeld lange und gut überlegt, was ich machen möchte. Ich hatte eine klare Vision vor Augen und wollte eine Mischung aus vergangenen und modernen Trends schaffen: leichte Stoffe, die wir in den letzten Jahren immer häufiger gesehen haben, kombiniert mit Schnitten und Mustern aus den frühen 2000er Jahren.

Mit den aktuellen Begriffen aus Fashion und Ästhetik: 2K1 und McBling boten Elemente, die ich in meinen Arbeiten aufgreifen wollte. Ich denke zum Beispiel, dass der Trend mit extrem tiefen geschnittenen Röcken und Hosen wieder zurückfinden wird und die 2K1 und McBling-Ästhetik den „Late 90s/Y2k“ Trend verdrängen wird.

Darauf aufbauend habe ich mit Farb- und Stoffkarten und mit Bildern aus vergangenen Kollektionen Moodboards erstellt. Danach habe ich analysiert, in welchem Kontext mir was gefällt und habe dann überlegt, wie ich meine Ästhetik mit meiner Botschaft verknüpfen kann. So bin ich zu dem Konzept mit dem Wüsten-Runway gekommen.

Ich habe dann angefangen, die Vorgaben, sogenannte prompts, für die KI zu entwickeln. Es hat eine Weile gedauert, bis ich eine Zusammenstellung verschiedener Vorgaben hatte, die mir tatsächlich die gewünschten Ergebnisse geliefert haben. Bei der KI sind gute prompts wichtig und entscheidend für die Erfolge der Resultate. Aber ein wenig Raum für Fehler muss man ihr dann doch zugestehen. Zumindest jetzt noch. Doch ich denke, dass sich das bald ändern wird.

Die größte Herausforderung war für mich: die Bilder so aussehen zu lassen, als würden sie tatsächlich alle aus einer Show stammen. Das war nicht ganz so einfach. Daher musste ich nach dem Arbeitsprozess mit der KI noch sehr viel mit Photoshop und Lightroom nacharbeiten.

Mit Colorgrading kreierte ich die passenden Farbwelten. Und das für jedes einzelne Bild! Anschließend musste ich noch die Hintergründe generieren und sie retuschieren. Erst dann konnte ich die Models reinarbeiten. Um ein überzeugend realistisches Bild zu erzielen, musste ich viel mit Schatten und Licht arbeiten. Und natürlich waren auch ein paar Glitches an den Outfits zu beheben. Manche Models kamen nämlich nackt auf die Welt. Es war eine Menge Arbeit und es waren unfassbar viele Stunden, die ich mit Prompten und Bearbeiten verbracht habe.

Wie hast du überhaupt erfahren, dass du weitergekommen bist? Und wie hast du dich dabei gefühlt?

Das war schon sehr überwältigend und erleichternd zugleich. Ursprünglich sollte man fünf Startbilder abgeben und daraufhin hat man dann eine Mail erhalten, dass man zugelassen wurde und seine Kollektion einreichen darf.

Nachdem ich die Kollektion verschickt hatte, war erstmal knapp eine Woche lang unklar, ob ich es geschafft habe. Als dann aber der Link zur Voting-Plattform freigegeben wurde, habe ich mich natürlich direkt gesucht und hab mich extrem gefreut, als ich meine Kollektion entdeckt habe.

Vor Ort bei der Ausstellung war das wahrscheinlich noch viel aufregender. Es war für alle Teilnehmer*innen unklar, ob ihre Arbeiten ausgestellt werden. Denn nur die Top 50 wurden auf den großen digitalen Bilderrahmen an der Wand im Spring Studio präsentiert. Von einem anderen Teilnehmer erfuhr ich, dass auch mein Beitrag in New York zu sehen war. Er hatte nämlich über Instagram seine Kollektion gesehen und meine gleich neben seiner erkannt. Er hat mich also auf Instagram gesucht, mich in seinem Repost markiert und mir die Bilder auch noch einmal direkt zugeschickt.

Ich war so schockiert. Vor allem war es an dem Tag das Erste, was ich nach dem Aufwachen gesehen habe. Ich konnte es echt nicht glauben! Wenn ich an diesen Moment zurückdenke, kann ich es auch heute noch nicht wirklich begreifen.

Gab es bestimmte Module, vielleicht auch Professor*innen, die dich besonders inspiriert oder unterstützt haben?

An und für sich war – und ich spreche jetzt in der Vergangenheit, weil mein Studium beinahe beendet ist – alle Professor*innen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, inspirierend. Ich denke, dass der Mix aus den verschiedenen Modulen mir ein gewisses Grundverständnis vermittelt hat. Und da waren alle mit involviert.

Die Hochschule war für mich immer ein besonderer und geschützter Raum, der mir die Möglichkeit gegeben hat zu experimentieren. Die vielen Feedback-Gespräche, die man in den Modulen hatte, haben einem die Möglichkeit gegeben zu wachsen und auch mal Fehler zu machen. Das ist etwas, was ich an unserer Fakultät so schätze.

Nichtsdestotrotz bin ich aktuell besonders froh, mit Oliver Kussinger aus Digital Imaging zusammenzuarbeiten, da auch er ein absoluter Verfechter von KI ist. Und weil wir uns enorm gut über die Chancen und Möglichkeiten, die uns Artifical Intelligence bietet, austauschen können.

Was sind denn die nächsten Schritte in Bezug auf die AI Fashion Week?

Aktuell läuft das Publikums-Voting für die Top 10.

Man kann übrigens bis zum 8. Mai 2023 für meine Kollektion über den Link https://app.fashionweek.ai/collections/marina-embrace/desert-bloom voten.

Man muss sich allerdings mit Mail und Telefonnummer anmelden, um einen Betrug durch Bots auszuschließen. Aber ich denke, das ist in Ordnung, denn dadurch bleibt es immerhin fair.

Danach werden aus den Top 10 drei Gewinner*innen ausgewählt, die ihre Kollektionen auch tatsächlich umsetzen dürfen. Die werden dann mithilfe von Revolve produziert und verkauft.

Hast du schon Pläne für die Zukunft?

Einige. Mir ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen die Möglichkeiten und Auswirkungen von KI begreifen, um mit diesem Potenzial wachsen zu können. Ich will zeigen, wie man diese Technologie auf kreative, sinnvolle und verantwortungsvolle Weise einsetzen kann.

Und es wäre großartig, mein Wissen und meine Erfahrung in diesem Bereich und insbesondere im Umgang mit bildergenerierenden KIs, mit anderen teilen zu können. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, Vorträge für Organisationen oder Firmen zu halten und Workshops anzubieten, um Menschen zu helfen, das Thema besser zu verstehen.

Außerdem möchte ich ein deutschsprachiges Netzwerk aufbauen, in dem KI-Interessierte und Enthusiasten ihre Erfahrungen mit verschiedenen KI-Tools teilen, voneinander lernen und gegebenenfalls neue Kontakte für eigene Projekte knüpfen können. Denn es gibt da so viele spannende Möglichkeiten.

Text, Interview: Thuy An Nguyen
Bilder, Fotos: Sara Rami

3. Mai 2023