Design schafft Räume: Digitale und reale. – Pop-Up Stores, Contemporary Spaces, Booth stands, Museumsflächen, Austellungsräume oder Eventspaces … Raum- und Eventdesign hat viele Spielwiesen.
Doch wie bringt man gutes Design in den Raum? Wie interagieren Besucher*innen mit Exponaten? Was sind die Zutaten für ein gelungenes Raumkonzept? Wie kann man das zeitliche Geschehen einer Ausstellung beeinflussen? Und was unterscheidet den realen vom virtuellen Raum?
In ihrem Vortrag Shifting Realities im Rahmen des Designers´ Circle sprachen Mira Schroeder und Nicolas Rauch über ihre Erfahrungen bei der Konzeption und Realisierung von klassischen und virtuellen Raumkonzepten. Letztere stehen nicht zuletzt durch die Corona-Krise im Fokus von Raum- und Eventdesignern.
Schroeder Rauch ist ein Büro für Ausstellungsdesign- und Ausstellungsarchitektur und die Gestaltung musealer Räume. Als solches agieren sie in einem hybriden Feld aus Architektur, Design und Szenografie und untersuchen die narrativen und gestalterischen Potenziale im analogen wie im digitalen Raum.
Auch wenn sich der reale Raum vom virtuellen unterscheidet, gibt es viele Komponenten, die bei der Gestaltung von digitalen und analogen Räumen von der Konzeption und vom Planungsprozess ähnlich sind. So sind es immer Objekte und Inhalte, um die sich die Ausstellung dreht.
Man steht auch immer vor den gleichen Fragestellungen: Was hat es mit den ausgestellten Objekten auf sich? Wer hat sie entworfen? Und welche Personen stehen damit in Verbindung? In welchem Kontext, in welcher Architektur und welchem Raum findet die Ausstellung statt? „So ist es ebenso ein Unterschied in welchem institutionellen Rahmen, ob Museum, Conceptspace oder öffentlicher Raum ein Raumkonzept realisiert wird“, erklärt Nicolas Rauch.
Social scenography
Betrachter*innen stehen für die beiden immer im Mittelpunkt. Sie beziehen Besucher*innen aktiv mit ein, regen zum Denken an und schaffen damit einen Diskursraum, der dazu einlädt, über die Thematik der Ausstellung nachzudenken. Die Besucher*in läuft also nicht passiv durch die Ausstellung und konsumiert das Dargestellte, sondern wird zur Rezipient*in und Interpret*in und greift aktiv ins Geschehnis ein. Zentral für sie ist hier der Begriff der Performativität des Raums, also seiner Bühnenhaftigkeit.
Damit ist gemeint, dass „dem Gezeigten eine Bühne gegeben wird und die Betrachter*in eine aktive Rolle dabei einnimmt, sich in einem dynamisch-sozialen Gefüge befindet, das sich aus einem selbst im Verhältnis zu anderen Besucher*innen, Objekten und Inhalten zusammensetzt“, erläutert Nicolas Rauch. „Wir nennen das auch social scenography“. Also vereinfacht ausgedrückt: den Versuch über die Zeit hinweg eine Verbindung zwischen Ausstellungsstücken und Betrachter*innen herzustellen.“
Reale Räume, die virtuell … und virtuelle Räume, die analog wirken
Im realen Raum ist die Verbindung zwischen Objekt und Besucher*in leichter herzustellen, „da dem virtuellen Raum das Moment der Übersichtlichkeit fehlt“, fährt Nicolas Rauch fort. „Daher gestalten wir virtuelle Räume sehr minimalistisch und reduziert, fast schon artifiziell, um nicht zu sehr abzulenken oder zu verwirren.“
„Und durch den Einsatz von farbigem Licht und Akzenten soll die Besucher*in gezielt durch die Ausstellung geführt werden. Der virtuelle Raum wird durch den Prozess der Reduktion und Vereinfachung sehr analog. Sonst sind Besucher*innen angesichts der vielen Objekte und Exponate schnell überfordert, und wissen nicht, wohin sie gehen sollen.“
Aber auch der reale Raum kann von den Erfahrungen mit digitalen Räumen profitieren. So kam etwa die Erkenntnis, das farbiges Licht zur Orientierung dient und eine starke Aussagekraft hat, aus Erfahrungen mit virtuellen Räumen. Auch die Reduktion auf das Wesentliche war eine Rückübertragung vom digitalen in den realen Raum.
So wirken manche ihrer realen Ausstellungsräume beinahe schon computergeneriert, wie 3D Renderings mit sehr weichem und diffusem Licht. Und man stellt sich unweigerlich die Frage, „wo das reale Objekt ist. Und wo es sich auflöst“, wie Mira Schroeder in Bezug auf ihr Kooperationsprojekt Adidas Nr. 74 sagt, einem Concept Store für Adidas.
Zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand
Auch in ihrer Ausstellung Nah am Leben in der James Simon Galerie Berlin aus dem Jahr 2000 sind Reduktion und Minimalismus spürbar. Die James Simon Galerie verfügt über die deutschlandweit ältesten Gipsrepliken von Statuen und Büsten. Sie lagern in einer Art Werkstatt mit Schwerlastregalen. Also stellten Schroeder Rauch Schwerlastregale in einen musealen Raum mit Oberlicht. Dadurch versuchten sie die Grenze zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand aufzulösen. Das Konzept ging auf.
Allerdings räumen sie ein: „Die gesamte Ausstellung wurde in Kleinstarbeit sehr aufwendig fotografisch digitalisiert und in ein virtuelles Raumkonzept übersetzt. Als Archivierung und Konservierung der Ausstellung hat eine solche Digitalisierung seine klaren Vorteile. Als Ausstellungserfahrung hat es virtuell aber nur eingeschränkt funktioniert, weil die Sichtbarkeit der Exponate auf dem Bildschirm nicht auf die Wahrnehmung im echten Raum übertragbar war. Die Wirkung des Konzepts und die physische Ausstellungserfahrung sind im digitalisierten Raum eine Herausforderung. Es fehlt die Bewegung im Raum, das Umrunden der Sockel, die Regale und die Erfahrung der komplexen Bezüge“, so Mira Schroeder.
Unauflösliche Widersprüche
Es gibt, laut Schroeder Rauch, auch andere bislang unauflösliche Unterschiede zwischen realem und digitalem Raum. Zum einen in der Materialität und Haptik der Objekte, die im virtuellen Raum nicht so erfahren werden kann, wie im echten. „Aber auch der Aspekt der Fokussierung geht im Virtuellen verloren. Man ermüdet sehr viel schneller, da man sich nicht auf einzelne Aspekte konzentrieren kann. Im analogen Raum ist die Orientierung aufgrund der besseren Fokussierung sehr viel einfacher“, so Nicolas Rauch. „Daher sind wir auf den Einsatz von farbigem Licht als Fokussierungs- und Orientierungshilfe gekommen.“
Was ist ein gutes Ausstellungskonzept?
Auf die Frage, was denn eine gelungene Ausstellung ausmache, antworten Schroeder und Rauch, dass es immer dann spannend wird, wenn ihre Gestaltung die „kuratorische Zielsetzung beeinflusst, also wenn wir durch unsere Gestaltung etwas sichtbar machen, was die Auftraggeber so noch gar nicht gesehen haben. Dadurch entsteht ein ständiger Prozess von Wechselwirkungen. Wir beeinflussen die Ausstellungsmacher*innen und die liefern Impulse an uns zurück.“
„Wir versuchen auch immer eine Balance zwischen der Inszenierung der Objekte und der Raumerfahrung zu finden. Es bringt nichts, den Raum mit Spezialeffekten zu überladen, wenn am Ende die Werke und Objekte, um die es letztendlich geht, untergehen.“
Weitere Arbeiten und Informationen finden sich auf der Website des Büros unter: https://schroederrauch.com/
Schroeder Rauch war am 11. Mai zu Gast im Designers´Circle, dem Gastvortragsformat des DESIGNVEREIN an der Technischen Hochschule Nürnberg. Der Designers´Cicle schlägt mit vier Terminen pro Semester eine Brücke zwischen Studium und Praxis und findet in der Regel an Dienstagen um 19:00 Uhr statt. Aktuelle Informationen gibt es auf www.designverein.net oder auf Instagram unter @designverein.
Text: Giuseppe Troiano
Fotos: Copyright by Schroeder Rauch