Das LEONARDO Zentrum – Die Fakultät Design und eine Kooperation dreier Hochschulen

LeonardoViel ist die Rede von Innovation, auch davon, wie man sie wohl fördern könne. Was braucht es dafür? Und was wären gute Bedingungen für kreative Ideen und ihre Umsetzung?

Eine Möglichkeit scheint zu sein, Schnittstellen zu finden und zu stärken, etwa solche zwischen Wissenschaft und Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit so einem Ansatz haben drei Nürnberger Hochschulen einen Förderwettbewerb von Bund und Ländern gewonnen. Und das hat auch mit unserer Fakultät zu tun und letztlich mit neuen Möglichkeiten für jeden Designstudierenden.

Studierende des Moduls Raum und Eventdesign bei
der Präsentation ihrer Entwürfe für einen
Coworking Space im LEONARDO Zentrum

 

Seit 2018 existiert – mitten in der Nürnberger Innenstadt – das LEONARDO – Zentrum für Kreativität und Innovation, ein Kooperationsprojekt: der Technischen Hochschule, der Akademie der Bildenden Künste und der Hochschule für Musik Nürnberg.

Und was ist das Besondere am LEONARDO? Was will es sein und wem kann es helfen? Darüber sprachen wir mit Matthias Bronnenmeyer, Referent für Wissenschaftskommunikation und Marketing.

Matthias Bronnenmeyer

– Worum geht es beim LEONARDO Zentrum?

Unsere Aufgabe ist es, im Rahmen der Bund-Länder Förderinitiative „Innovative Hochschule“ ein Innovationszentrum aufzubauen, das nachhaltig ist und sich auf die Frühphase der Ideenfindung konzentriert. Das Projekt wird bis Dezember 2022 mit etwa 10 Millionen Euro gefördert.

– Was genau bedeutet „Frühphase der Ideenfindung“? Und: „Ideen“ wofür?

Hier geht es um Services und Produkte. – Denn oft ist es ja so, dass man eine Förderung erst dann erhält, wenn ein erfolgreich getesteter Prototyp oder bereits ein fertiges Produkt existiert.

Wir aber setzen schon einen Schritt davor an. Unsere Arbeit beginnt bereits dann, wenn sich Leute zum ersten Mal zusammensetzen und gemeinsam über eine Idee nachdenken. Wir geben Impulse. Wir liefern die nötigen Werkzeuge und die Infrastruktur. Und: Wir beschäftigen uns damit, was es überhaupt heißt, eine gute Idee zu entwickeln. Und wie man eine gute Idee überhaupt von einer schlechten unterscheiden kann.

– Sie betreiben also auch Grundlagenforschung in Sachen Kreativität und Innovation?

Das kann man so sagen. Aber nicht hauptsächlich. In erster Linie betreiben wir Angewandte Wissenschaft und bieten konkrete Unterstützung und Hilfe für Menschen, vorrangig für Professorinnen und Professoren, für Wissenschaftler der drei Verbundhochschulen, die eine Idee zur Innovation weiterentwickeln möchten. Aber auch für alle Studierenden. Außerdem vernetzen wir die unterschiedlichsten Personen miteinander.

– Und wie sieht die Unterstützung aus, die Sie bieten können?

Ganz unterschiedlich. Zum einen, stellen wir Know-How zu Verfügung, andererseits bieten wir aber auch finanzielle, organisatorische und administrative Unterstützung – Projektmanagement zum Beispiel. Dazu kommt noch einiges an Infrastruktur, die man nutzen kann, wie z.B. die 1000m² Laborfläche in der Karl-Grillenbergerstr. 3a, die gerade ausgebaut werden. Hier entsteht ein Musiklabor, ein Virtual- und Augmented-Reality Labor, ein Maker-Space mit 3D-Druckern und ein Coworking Space. Und alle sollen zum Wintersemester eröffnet werden.

– Wer kann diese Spaces dann nutzen?

Das Angebot richtet sich an Studierende und Lehrende aus den drei oben erwähnten Hochschulen. Alle sollen dort zusammenkommen können, um gemeinsam neue Ideen weiterzuentwickeln zu echten Innovationen.

– Also sprechen Sie in erster Linie Hochschulen an?

Nun … Jein. Mit den Laboren und Werkstätten schon. Aber im Allgemeinen ist es eine Kernaufgabe des LEONARDO, einen Transfer verbessern, das heißt, die Kommunikation zwischen den Hochschulen und der Gesellschaft, auch zwischen Forschung und den Unternehmen. Dazu arbeiten wir auch mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zusammenarbeiten. Wir sind ein Verbindungsglied dieser Ebenen. Wir sind nicht die einzigen Verbindungsglieder, da gibt es noch andere, aber wir konzentrieren uns speziell auf das Thema der Ideenentwicklung.

– Sie haben es kurz erwähnt … Aber was bedeutet eigentlich „nachhaltig“ in diesem Zusammenhang?

„Nachhaltig“ bedeutet in diesem Kontext, dass wir bis Ende der Förderphase Prozesse und Strukturen schaffen, die beständig sind und fortbestehen können, und nicht einfach nur ein Strohfeuer abbrennen wollen.

– Und mit welchen Themen kann man zu Ihnen kommen?

Bezüglich der Projekte, die wir unterstützen: Ja, es kommen nicht alle Themen in Frage. Es muss immer eine gesellschaftliche Relevanz dahinter sein, also eine soziale, technologische oder kulturelle Herausforderung angegangen werden.

– Weshalb?

Das ist einfach. Allein schon deshalb, weil wir durch die Gesellschaft finanziert werden und für die Gesellschaft arbeiten. Deswegen müssen wir uns natürlich auch mit Themen beschäftigen, von denen die Gesellschaft, auf die eine oder andere Art, profitiert.

– Gibt es noch andere Kriterien?

Ein weiteres Auswahlkriterium für Themen und Projekte ist, dass wir in der Ideengenerierung einen interdisziplinären Ansatz verfolgen. Die Grundidee von LEONARDO ist ja, dass Neues immer dann entstehen kann, wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Kenntnissen und Erfahrungen zusammenkommen. Und genau das überprüfen und fördern wir hier.

– Und wer entscheidet, ob ein Projekt nun wirklich passt oder nicht?

Das fällt in das Aufgabengebiet der sogenannten Lenkungsgruppe, bestehend Vertretern der Präsidien aller Hochschulen. Die machen das aber natürlich nicht aus dem Bauch heraus, sondern anhand eines gemeinsam mit LEONARDO-Mitarbeitern erarbeiteten Katalogs. Und in dem finden sich klar definierte Bedingungen und Kriterien. Und es muss natürlich von der Kapazität zu stemmen sein. Manche Ideen sind vielleicht einfach zu groß.

– Wie kann man Vorschläge für Ideen einreichen?

Im Moment sind wir diesbezüglich noch in einer Experimentierphase. In der Vergangenheit gab es bereits einen sogenannten „Open Call“. Da konnte prinzipiell  zu uns kommen, jeder Lehrende und Studierende, der eine Idee für ein interdisziplinäres Projekt hatte. Und wir haben dann die passenden ausgewählt.

Solche Formate wird es auch in Zukunft wieder geben, sowohl für Lehrende als auch für Studierende. Wobei wir gerade dabei sein, die Erkenntnisse aus der ersten Phase aufzuarbeiten und den Prozess entsprechend anzupassen.

Auf einer etwas leichter zugänglicheren Ebene bieten wir aber zum Beispiel auch Wettbewerbe an, bei denen Studierende Ideen zu einem bestimmten Thema einreichen können. Da geht es erstmal nur um einen Einfall, nicht schon um die Umsetzung. Denn Studierende haben zwar oft gute Ideen, aber meist nicht die Möglichkeiten oder die Zeit, diese Ideen auch selber umzusetzen. Dennoch wollen wir ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Vorstellungen, Geistesblitze und Visionen zu präsentieren und professionelles Feedback dafür zu erhalten. Darüber hinaus können sich die Studierenden dabei auch kennenlernen und vernetzen. Daraus kann viel entstehen.

– Können Sie mir ein Beispiel für ein Projekt geben, dass tatsächlich umgesetzt wurde?

Eine ganze Reihe von Projekten aus der ersten Förderphase sind bereits abgeschlossen. Ein Beispiel wäre etwa die „Phantom Zone“. Das war ein Kooperationsprojekt von Lehrenden und Studierenden der Hochschule für Musik mit der Technischen Hochschule Nürnberg.

Es war eine Augmented Reality-Performance, die vor ein paar Monaten in der St. Martha Kirche in Nürnberg ihre Premiere gefeiert hat. Der Clou: Dass die Besucher die Möglichkeit hatten, über eine Augmented Reality-App selbst Regie zu führen. So war es zum Beispiel möglich, ungewünschte Darsteller einfach per Knopfdruck auszublenden. Die grundsätzliche Fragestellung zur „Phantom Zone“ war dabei: Wie kann man gängige Formate, wie das klassische Theater, mit neuer Technologie anreichern und einer neuen Nutzergruppe zugänglich machen? Was natürlich auch die Performances und ihre Wirkung verändert.

Das war ein typisches Kooperationsprojekt zwischen den künstlerisch Tätigen, die das Konzept entworfen, und Studierenden aus dem Masterstudiengang Medieninformatik, die die App dann umgesetzt und zu Ende entwickelt haben. Diese Verzahnung zeigt ganz gut, worum es im LEONARDO geht und gehen kann.

– Wird das Projekt „Phantom Zone“ und die Idee, die dahinter steckt, dann noch wissenschaftlich oder wirtschaftlich weiterentwickelt?

Hoffentlich! Nach einem erfolgreichen Projektabschluss unterstützen wir nach Kräften den Transfer in die Gesellschaft und wollen damit erreichen, dass aus der Idee auch eine echte Innovation wird.

Aber unabhängig davon: Nicht jede Idee muss zwangsläufig immer funktionieren oder weiterkommen.

– Was meinen Sie damit?

Das gehört eben auch zur Kreativität. Wir geben den Raum zum Austesten und Experimentieren. Und man darf auch mal „scheitern“, denn nur so kann man sich frei entfalten. Also dann, wenn der Druck wegfällt, gleich etwas hundertprozentig Funktionierendes produzieren zu müssen.

Wenn dann noch Studierende und Lehrende aus unterschiedlichen Gebieten und unterschiedlichen Technologien aufeinandertreffen, entsteht hoffentlich etwas, das vorher undenkbar war, von dem man niemals angenommen hätte, dass es machbar wäre. Und es arbeiten plötzlich Menschen zusammen, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie zusammen kämen und etwas miteinander entwickeln könnten. Diese diffuse Magie wollen wir fördern.

– Wie wichtig ist dabei ein Ort wie das LEONARDO Zentrum?

Das LEONARDO ist als Ort mit seinen unterschiedlichen Laboren und technischen Möglichkeiten eine lebende Werkstatt. Und ein Experimentierfeld. Für uns ist es dabei sehr wichtig, dass die Studierenden und Lehrenden in den Entstehungsprozess der Räume eingebunden werden, da es letztendlich ja darum geht, dass sich die Studenten wohl fühlen sollen und hier effektiv arbeiten können.

– War das auch die Grundidee für eine Kooperation mit der Fakultät Design der TH Nürnberg, genauer: mit dem Modul Raum- und Eventdesign? Dort hat man ja im Rahmen einer Semesterarbeit Ideen für den neu entstehenden Coworking Space gesammelt und visuell umgesetzt.

Richtig. Die Ideen der Design-Studierenden waren und sind enorm wichtig für uns. Wir wollen ja wissen, was Studierende in einem solchen Raum alles brauchen und sich wünschen. Denn wir machen das ja letztendlich für sie und nicht für uns. Dass sich die Leute, für die man das Ganze tut, lange und intensiv damit beschäftigen und herausfinden, was sie eigentlich wollen, ist für uns schon deshalb Gold wert. Und das gilt genauso für alle anderen Räume, Prozesse und Projekte des LEONARDO. Wir orientieren uns, bei allem was wir tun, an den realen Bedürfnissen der Studierenden und Lehrenden.

Für die Ausarbeitung eines Entwurfs für den Coworking Space stand ein Google Sketchup Model zur Verfügung.

Aber auch an realen Modellen konnte gearbeitet werden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

– Wird also jeder Studierende der drei Hochschulen zu jeder Zeit zu Ihnen kommen und Ihre Räume nutzen können? Wir stellen uns da so einige Designer vor, die bereits mit den Hufen scharren …

Ja. Vorausgesetzt es ist ein Platz frei. Wenn die Räume fertig sind und die ersten Besucher kommen, müssen wir sehen, ob es ein Reservierungssystem für Räume oder die Maschinen geben muss. Aber das können wir jetzt noch nicht abschätzen. Prinzipiell kann aber jeder Studierende während der Öffnungszeiten zu uns kommen und Räume und Geräte benutzen.

– Was für aktuelle Projekte gibt es denn von Studierenden und Lehrenden, auch solchen der TH Nürnberg?

Im Moment gibt es insgesamt ein Dutzend laufende Projekte von Lehrenden und etwa nochmal so viele von Studierenden, sowie einige Freie Projekte, die nicht durch den Call entstanden sind.

– Und was es da nicht alles gab und gibt. Von „Kunst aus Knochenporzellan“, von  „Architektur hören“  … und auch vom „Auto als Kommunikationsplattform der Zukunft“ ist die Rede.

Wie man erfährt, ist das ein Projekt bei dem auch Prof. Yves Ebnöther, CGO, und seine Studierenden mitwirken, etwa mit Design-Entwürfen zu „Autos als Stadtmöbel„. Denn: „23 Stunden am Tag steht ein Auto ungenutzt herum – und wird nur eine Stunde bewegt. […]  Wie kann man diese Flächen und die parkenden Autos sinnvoll nutzen? Kann ein Auto nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Möbel sein?“ 

Stimmt. Und Näheres zu den einzelnen Vorhaben findet man Jetzt und in Zukunft auf unserer Website.

– Vielen Dank an Sie für die Einblicke und das Gespräch.

 

Interview/ TEXT: Giuseppe Troiano
Fotos: LEONARDO Zentrum/ Yves Ebnöther

10. März 2020