Gedanken zu einer Malerei von Ralph Dobratz
Schauen wir uns das zunächst einmal an.
Und lesen. Was ist ein Bild?
Dumme Frage, eigentlich. Wir sehen es doch. Das Bild ist eben das, was gerade vor uns ist. Vor uns, auf dem Bildschirm, jetzt, in diesem Moment.
So einfach ist das. Aber dennoch suchen wir etwas, wir können nicht anders. Wir schauen genauer und werden bestätigt. Ja, das muss ein Bild sein, so etwas kennen wir aus dem Museum: Das ist Öl auf Leinwand. Malerei. Und bemerken erst gar nicht, dass es sich um eine digitale Farbaufnahme handelt, die ein gemaltes Bild zeigt.
Auf einmal sind wir ein wenig verunsichert. Haben wir das Bild überhaupt gesehen? Nicht eher gelesen? Präziser: Allein die Buchstaben und Worte erfasst, aus denen sich die Frage zusammensetzt?
Dann würde die Frage, die das Bild uns zu stellen scheint, durch unseren Blick bestätigt. Und das Bild, das wir sehen, wäre die Antwort.
Mmmh.
Allmählich sehen wir mehr. Da ist auch ein Bilderrahmen ins Bild gemalt. Ganz klar.
Würden wir ihn nicht gerne umdrehen wollen? Und sehen, welches Motiv sich auf der Vorderseite der Leinwand verbirgt? Merkwürdig auch dieser kleine Zettel mit der Zahl 36.
Wir sind irritiert.
Verweigert uns das Bild nicht gerade etwas, was es uns zugleich zeigt? Es weckt ein Begehren („Schau mich an!“) und gleichzeitig nimmt es sich vor unseren Augen in Schutz.
Vielleicht erinnert uns das Bild an etwas, wir haben eine Vermutung. Da sind dieser Name und die Herausgeberschaft. Das kennen wir von Buchtiteln. Unten steht ein Vermerk: „Buch und Text“. Er lässt uns an ein Logo denken, etwa das einer Buchreihe.
Im Seminar würden wir nun recherchieren und tatsächlich schnell ein Buch mit diesem Cover ausfindig machen. Es wäre 460 Seiten dick!
Dann hielten wir dieses Buch in den Händen, würden auf den Titel schauen, ihn unweigerlich mit dem „Original“ abgleichen und feststellen: unser gemaltes Bild wurde von der Vorlage abgemalt. Nichts weiter.
Sicher wären wir enttäuscht. Würden denken: Das kann doch jeder. Aber irgendwas hat sich dennoch etwas verändert. Wir denken nach. Das Werk eines Grafikers, der einen Buchumschlag entworfen hat, ist also nun zum Leinwandbild eines Malers geworden.
Vielleicht hat sich das Werk eines Designers nun in ein Werk der Kunst gewandelt. Doch was hat das zu bedeuten? Hat sich nicht allein hierdurch der Sinn des Bildes geändert? Und mit ihm unser Blick?
Form und Inhalt. Sinn und Nichtsinn. Gedanken und Gefühle.
Und wir, die wir schauen, sind mittendrin.
Bilder wollen etwas von uns.