Lernen am Raum: Eine Exkursion zum Ludwig Erhard Zentrum als Case Study

Wie stellt man einen Bundeskanzler aus? Ludwig Erhard, der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, eine wichtige politische Figur der deutschen Nachkriegszeit … Seine Geburtsstadt Fürth erinnert an ihn. Aber wie und auf welche Weise? – Das interessiert nicht nur Raum- und Eventdesign …

„Wie macht man Geschichte erlebbar?” … und andere Fragen der Erinnerungskultur

Welche Exponate erzählen heute noch von ihrer ursprünglichen Bedeutung? Was an einem Ort macht ihn zu einem besonderen Ort? Was haben Räume mit Historie zu tun?

Mit solchen und anderen Fragen der Erinnerungskultur beschäftigt sich das Modul Raum- und Eventdesign im sechsten Semester. Um die eigenen Fragestellungen und die dazugehörigen Gestaltungsantworten zu finden, machen wir uns auf ins Ludwig Erhard Zentrum nach Fürth, auf der Suche nach Spuren eines berühmten Politikers. Den gerade junge Menschen kaum mehr auf dem Schirm haben.

Ludwig Erhard. Geboren 1897, in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Sternstraße 5 in Fürth. Und das nach ihm benannte Zentrum, … ein imposanter Anbau, direkt hinter dem Fürther Rathaus, versteht sich als Begegnungsstätte, Forschungs- und Dokumentationszentrum.

Uns interessiert besonders das Ausstellungsdesign und die Erzählweise des Museums, das sich über zwei Gebäude erstreckt. Vor dem Eingang empfängt uns eine Armee aus sehr kleinen Erhard-Figuren. Ist das schon ein Kommentar?

Für uns ergeben sich daraus die Fragen: Wo beginnt die Ausstellung eigentlich? Schon vor dem Gebäude? Genau hier, oder bereits in unseren Köpfen?

Aus dem modernen Eingangs-bereich wird man gleich wieder auf die Straße zurück-geschickt. Aber nicht ohne vorher mit einem Aufkleber als Besucher*in des LEZ markiert zu werden.

Und so können es alle sehen: Wir haben uns dafür entschieden, uns damit zu beschäftigen. Wir wollen etwas erfahren.

Was lässt uns in die Geschichte eintauchen?

Dann geht es hinein in eine andere Zeit, repräsentiert durch abstrahierte Tapetenmuster, Audio-Mitschnitte. Originale und originelle Artefakte liegen in aufwendig ausgeleuchteten Vitrinen mit einer themenbezogenen Formensprache.

Und was das mit Menschen und ihrem Leben zu tun hatte, zeigen verschiedene Exponate und Elemente der Ausstellung und Ausstellungsgestaltung. Wie etwa eine schnell laufende Uhr, die uns demonstriert, wie heftig sich Inflation auswirkt, wie sich beispielsweise die Preissteigerung für ein Kilo Kartoffeln im Jahr 1923 entwickelte.

Der Blick zurück in die Geschichte ist grafisch und medial anspruchsvoll aufbereitet. Und über zwei Geschosse hin werden wir von Raum zu Raum geleitet, unterhalten, informiert und zum Teil auch schockiert. Denn viele Themen, die vor Jahrzehnten und teils vor über hundert Jahren aktuell waren, bewegen uns noch heute.

Da ist der Erste Weltkrieg. Da sind die umkämpfte Weimarer Republik und die Weltwirtschaftskrise. Da ist der Aufstieg der nationalsozialistischen Diktatur. Da ist ein erneuter Weltkrieg. Und da ist der schwierige Neu-Anfang der Demokratie auf deutschem Boden.

Ein Blick in die Dauer-Ausstellung des Ludwig Erhard Zentrums

Zur neueren Geschichte und einem Ausblick werden wir dann wieder zurück ins Haupthaus geleitet. Jetzt sind wir schon deutlich näher dran an unserer eigenen Zeit. Einige Ausstellungsobjekte kommen den Studierenden sogar bekannt vor. „Cooles Radio!” – „So einen Nierentisch gabs neulich auf dem Flohmarkt.“ …

Nun begleiten wir Ludwig Erhard und sein Leben drei Stockwerke hinauf, durch die Nachkriegszeit, den Wiederaufbau und durch viele weitere politische Stationen seines Lebens. Alles wird dicht erzählt und ausgestellt, dargeboten und untermalt.

Um Heldenverehrung geht es dabei nicht. Denn was hatte Erhard denn zu tun mit dem „Wirtschaftswunder”, als dessen „Vater” er galt? Wie verhielt er sich zur ”Sozialen Marktwirtschaft”? Und wie ging man damals um mit dem Erbe des Nationalsozialismus?

Ganz oben angekommen, werden wir über eine raumfüllende Projektion mit aktuellen Fragestellungen konfrontiert. Hier ist genug Raum für Diskussionen. Wir merken: Es ist viel zu viel für einen einzigen Besuch. Vielleicht einmal wiederkommen? Und noch mehr entdecken?

Aber erst einmal zurück in unser Leben. Und so betreten wir, angeregt und inspiriert und mit Mut für und Lust auf eigene Design-Entscheidungen, die angrenzende Fußgängerzone. Ein paar Studierende schlüpfen dann noch ins Café Luise, das übrigens nach der Frau Ludwig Erhards benannt wurde und heute seinen Platz hat im ehemaligen Textilgeschäft der Familie Erhard. – Geschichte überall.


Text: Christine Albert, Max Ackermann
Bilder: Christine Albert, Ludwig Erhard Zentrum

5. Dezember 2022