auch gut_ Design und Denken. Ein Magazin von Studierenden und Lehrenden der Fakultät Design geht in die vierte Runde.

Ausstellung – und Magazin-Launch
auch gut_ – Design und Denken 04 – Gutes Design

 

Das Magazin auch gut_ ist das große interdisziplinäre Projekt unserer Fakultät. Das heißt auch: Viele Module sind beteiligt. Die meisten Texte kommen aus Verbaler Kommunikation, die Bilder aus Illustration, Foto und CGI, Grafikdesign und Layout wurden im Modul Typografie entwickelt. Dazu gibt es themenbezogene Webfeatures aus Interaktionsdesign. Und: Die Studierenden von Raum- und Eventdesign haben den Launch organisiert.

Live und direkt

Und das Besondere daran: Die Präsentationsform des Magazins an diesem Abend. Wesentliche Elemente des Layouts, wie Texte, Bilder und Zitate wurden auf große Plakate gedruckt und angebracht auf weißen Ausstellungsflächen und Gerüsten im Raum. Das ergab einen angemessen gestylten Event-Space, der erkundet und bestaunt wurde.

An vergangene Events konnte und wollte dieses „and friends“-Konzept noch nicht heranreichen. Denn schließlich musste die große Öffentlichkeit  außen vor bleiben. Dennoch kamen viele Studierende und Lehrkräfte, die dank sorgfältiger Hygienemaßnahmen erscheinen konnten. Zwar mit Maske und Abstand, aber dafür endlich mal wieder live und direkt.

 

Was wäre gutes Design?

Auch inhaltlich hat das neue Magazin vieles zu bieten. Und wie der programmatische Untertitel „Design und Denken“, schon vermuten lässt, geht es immer auch um eine tiefere Auseinandersetzung mit einem breiten Themenfeld. – Diesmal dreht sich alles um … Gutes Design … und was auch immer man sich darunter vorstellen mag. Denn: Was wären geeignete Kriterien für Qualität? Was wäre überhaupt „Qualität“?

Studierende, Dozierende und Professor::innen gingen der Frage nach, was ihrem Wissen, ihrer Erfahrung, Argumentation und Meinung nach gutes Design ausmacht.

Andere, die im Bereich Gestaltung arbeiten, wurden befragt, was gutes Design im professionellen Alltag charakterisiert … so unter anderem der bekannte Grafikdesigner Mirko Borsche oder die sehr unterschiedlichen Illustrator*innen Joni Majer, René Aigner und Isabel Christensen.

Daraus ergaben sich oft überraschende Erkenntnisse, Ideen und Anschauungen, auch solche, mit denen man sicher nicht gerechnet hätte. Denn, was hat gutes Design mit seiner schwierigen Messbarkeit, mit der Repräsentation von LQBTQ in Medien, einem Löffel für Parkinson-Kranke, dem kunstvollen Spiel mit „shitty robots“ oder den Algorithmen von Streaming-Plattformen zu tun?

 

Gutes Design ist kein Husten

Jene, die Aufträge vergeben, widersprechen sich teils gewaltig in dem, was sie als „gut“ empfinden. „Mach es groß, aber auch klein“, forderte mal ein Auftraggeber von Concept Artist und Buchcover-Gestalter René Eigner. Ab und an sollte er auch mal eine Person darstellen, die in die Ferne schaut, aber gleichzeitig nur von hinten zu sehen ist.

Aus unterschiedlichen Perspektiven geht es im Magazin um das, was ästhetisch, ethisch oder funktional „gut“ ist. Soll es gut verkäuflich oder nachhaltig sein, verständlich oder überraschend, nützlich oder verspielt, lustvoll oder relevant? Und: alles zusammen. Das hat immer auch mit unterschiedlichen Bildern von und Erwartungen an Gestaltung zu tun, mit Märkten und Medien, Distribution und Produktion, – und letztlich mit eigenen Vorstellungen von Gesellschaft und Menschen.

So konstatiert Dr. Max Ackermann, modulverantwortlicher Professor für Verbale Kommunikation, und zusammen mit Prof. Burkard Vetter Herausgeber des Magazins, dass Gutes Design kein Husten ist. Das meint: Eben kein reflexhafter Vorgang, sondern mit Bedacht gemacht und geplant, „mit Ziel und Zweck, als Kommunikation und Wirkung“. Zumindest „in den meisten Fällen“.

 

Street Design

Denn: Gutes Design hat immer auch etwas mit dem Erreichen von Zielgruppen zu tun. Und deren Bedürfnisse sind oft sehr unterschiedlich. Da muss es nicht immer fancy, Avantgarde oder high class sein, um zu helfen. Das zumindest stellten die Studierenden Jeff Chi, Marco Kratzer und Matthias Schöllhorn bei einem Streifzug durch Nürnberg und ihren Besuchen in  Döner- und Imbissbuden fest.

Was sie als Street Design bezeichnen, als gestalteten Alltag, wird beispielsweise getrieben vom Wunsch einiger Besitzer::innen von Imbissbuden, mit schrillen und farbenfrohen Schriften und Bildern Aufmerksamkeit zu erzeugen. Da gibt beliebte Muster, asiatische und orientalische Klischees und Erinnerungen an die Herkunft der eigenen Familie. Aber gleichzeitig wollen sie ihren Kundinnen und Kunden ganz funktional Informationen über ihre Produkte vermitteln.

Oft gehen sie hierzu zum Copyshop um die Ecke, wo man sich dann – mehr oder minder gut – um ihre Layouts kümmert. Wobei auf „an sich druckfertigen Speisekarten nur noch Bilder von großen Hamburgern und Dönern herumgeschoben werden müssen.“

Anders dagegen bei Michael Seibert und dem Studio Unfun oder im Büro des berühmten Grafikdesigners Mikro Borsche. Hier fordern andere Auftragber*innen – ob Opernhäuser, Weltkonzerne oder große Medien-Projekte – eben auch einen anderen Zugriff. Für den diejenigen, die dort gestalten, auch mehr Wissen und eine bessere Ausbildung brauchen.

 

Stil-Pluralismus

So kann man feststellen, dass Design nicht unbedingt schön sein muss, um gut zu funktionieren. In unserer pluralistischen Gesellschaft ist ein ästhetischer Anspruch, der auf etwas universell Schönem aufbaut, nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Christian Köcher, ist Lehrbeauftragter an der Fakultät und im Vorstand des DESIGNVEREIN – und er erörtert im neuen Heft, inwiefern sich die Ästhetik genötigt fühlt, „sich vom traditionellen Wissenschaftsideal der Allgemeingültigkeit abzugrenzen“.

Und weiter: „Als moderne Gesellschaft müssen wir versuchen, anzuerkennen, dass wir uns in einem Zeitalter des Stil-Pluralismus bewegen, in dem es keinen allein- und auch keinen allgemeingültigen Geschmackskonsens mehr geben kann – nicht nur, aber vor allem bei der Beurteilung von Gestaltungen.“

 

Unsere postmoderne Moderne

Ohnehin lässt sich erkennen, dass die philosophische Ästhetik der letzten 2000 Jahre ihren „Schönheitsbegriff“ immer wieder ausdehnen und anpassen musste, um neue Werke einzuschließen, die so gar nicht dem Ideal ihrer Zeit entsprachen. Und wenn die heutige Technik es nahezu jedem Menschen ermöglicht, sein eigener Creative Director zu sein, haben auch alte Design-Kriterien ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit verloren.

Dabei hat Design die Moderne mit ihrem Stil-Pluralismus und ihrer Jagd nach dem ständig Neuen nicht überwunden, sondern im Übergang zur Postmoderne ihre „radikale Einlösung gefunden“, wie Wolfgang Welsch es – bereits vor der Jahrtausendwende – in seinem Sammelband Unsere postmoderne Moderne prophezeit hatte.


Noch mehr zur vierten Ausgabe von auch gut_ finden Sie hier …


Text: Giuseppe Troiano

Video/ Filmbeitrag:

Claudius Birk (Kamera & Schnitt) – @noellececilegoetz Noelle Goetz (Regie) – @ollischmdt Oliver Schmidt & @johannesmeixner – Johannes Meixner (Foto) – @elias__mueller Elias Müller (Ton) – @jonas.auernhammer Jonas Auernhammer (Licht) – @hhanseatin Hannah Seidel (Voiceover) – Jannick Renn (Sounddesign)

Cast BA3 Projekt von Claudius

Interviewte: Nina Knöll – Lilli Vogt – Franka Faisst – Fabian Bitter – Christine Albert – Max Ackermann

13. März 2022