Afghanistan, Palästina, Nigeria, Sudan, Tibet oder Syrien. Das sind allesamt Orte, die wir mit schrecklichen Konflikten verbinden. Verfeindete Milizen, Soldaten und Terrororganisationen liefern sich brutale Kämpfe und sorgen seit Jahrzehnten für Schreckensbilder, die unseren Medienalltag dominieren. Die Bilder und Storys hierfür liefern besonders mutige Journalisten, Fernsehteams und Fotografen. Eine dieser mutigen Fotografinnen ist Johanna-Maria Fritz, die ihre Arbeit vor kurzem beim Designers´ Circle vorgestellt hat. Ausgestattet unter anderem mit einer analogen Hasselblad reist die gerade mal 27-jährige gebürtige Berlinerin im Auftrag renommierter Magazine rund um den Globus, um das zu dokumentieren, was der Öffentlichkeit sonst verborgen bliebe. Kein Kriegsgebiet ist ihr dabei zu gefährlich, keine Strapaze zu groß. Auf ihren Reisen trifft die mehrfach ausgezeichnete Fotografin neben Elend und Verzweiflung auch Menschen, die gelernt haben, unter widrigsten Bedingungen zu überleben. Im Fokus stehen vor allem Frauen, Randgruppen und sozial Benachteiligte.
Ein Zirkus in Afghanstan, Hexen in Rumänien oder Sexarbeiter in Berlin
Ihre Bildsprache weist dabei weit über den rasch erstellten Bildbericht hinaus. Sie ist zwar keine Designerin, ihre Bilder bringen aber alles mit sich, was gutes Design ausmacht: Farbe, Komposition, Bildausschnitt, Motivauswahl und Kontrast. Gleichzeitig bringen die Fotos etwas zum Ausdruck, was dem flüchtigen Blick entgeht. Trauer, Freude, Liebe, Einsamkeit, Leere, Angst. Das sind alles Qualitäten und Begriffe, die einem beim Anblick ihrer meisterhaft gestalteten Bilder in den Sinn kommen. Diese Authentizität kommt ihrer Meinung nach instinktiv, wenn Sie etwa einen Zirkusakrobaten in Afghanistan fotografieren m
öchte und im selben Moment ein LKW vollbeladen mit IS-Kämpfern die Kulisse betritt. Oder wenn sie Sexarbeiter in ihrer Fotoserie Garden of lost dreams in Berlin trifft, die sich vor Scheu die Hände vors Gesicht halten. Als Flüchtlinge voller Hoffnung nach Berlin gekommen, landen sie im berühmt-berüchtigten Berliner Park Tiergarten und müssen ihren Unterhalt mit Sexdiensten verdienen.
Daughters of Magic
Aber auch Frauen stehen regelmäßig vor ihrer Linse. So etwa in ihrer Fotoreihe Daughters of magic. Hierfür reiste sie nach Bukarest in Rumänien und begleitete eine „Roma Hexe“ namens Mihaela Minca, die ihr Geld mit Weissagungen, Liebeszauber und Geldsegen verdient. Und das mittlerweile sogar weltweit über einen Onlineshop. Spannend fand Johanna-Maria Fritz die Stärke, die diese Hexe ausgestrahlt hat, denn sonst werden Roma-Hexen vor allem als Opfer dargestellt oder gar als Verbündete des Teufels stigmatisiert.
Nicht nur wegen ihres Hexenstatus, der seit der Inquisition zur massenhaften Verbrennung von Frauen führte, sondern auch wegen ihrer Herkunft als Sinti und Roma, die ihrerseits massiv diskriminiert, verfolgt und getötet wurden. Anders die Roma-Hexen. Sie sind reich, denn sie müssen in Rumänien keine Steuern zahlen und sind sehr angesehen in dem sagen- und mythengläubigen Land.
Das fotografische Sehen
Ihre Bildsprache hat die Fotografien an der Ostkreuzschule gelernt und arbeitet mittlerweile für die gleichnamige Ostkreuzagentur, die mit ihrer genossenschaftlichen Organisation an die Pariser Fotoagentur Magnum erinnert. Eine von Fotografen geführte Agentur bietet die Möglichkeit offen zu sein, was Stil und Fokus der einzelnen Fotografen betrifft. Schon in ihrer Abschlussarbeit von 2015 zeichneten sich diese bei Johanna-Maria Fritz ab. Sie besuchte damals den ersten Zirkus in Island und zeichnete in ihrer Fotoserie „Sirkus Islands“ die Geschichte eines damals heroin- und alkoholsüchtigen Clowns, der für einen kleinen Auftritt nach Island gekommen war, dort die Liebe seines Lebens traf und zur Sicherung seines Lebensunterhalts einen Clown- und Zirkuskurse gab. Nachdem er clean wurde, gründete er dann den ersten Zirkus in Island. Das sind die Geschichten, die Johanna-Maria Fritz anziehen und dadurch Bilder entstehen lässt, die mehr sind, als was das bloße Auge wahrzunehmen vermag. Es ist zum einen das fotografische Sehen, dass an der Ostkreuzschule gelehrt und gefördert wird und anderseits ihre ureigene Sehweise und Persönlichkeit. Oder einfach nur Instinkt, wie Johanna-Maria Fritz auf Nachfrage den Teilnehmern bescheiden mitteilt. Wer sich mehr für Johanna-Maria Fritz interessiert, sei auf einen kürzlich erschienenen Beitrag im Zeit-Magazin verwiesen oder kann sich auf ihrer Homepage umschauen. Zu kaufen gibt es auch ihre Bildbänder unter folgender Seite: Hartmann Books.
Johanna-Maria Fritz war zu Gast im Designers´Circle, dem Gastvortragsformat des DESIGNVEREIN an der Technischen Hochschule Nürnberg. Der Designers´Cicle schlägt mit vier Terminen pro Semester eine Brücke zwischen Studium und Praxis und findet in der Regel an Dienstagen um 19:00 Uhr statt. Aktuelle Informationen gibt es auf www.designverein.net oder auf Instagram unter @designverein.
Text:Giuseppe Troiano, Fotos: Copyright Johanna-Maria Fritz