17 Dezember 2022

Ufos / straßenlaternen

Manchmal glaube ich, dass ich mich so kennengelernt habe:

Nachts, 03:12 Uhr, auf dem Weg nach Hause. Ein trauriges Mädchen auf der Rückbank und meine Freundin auf dem Beifahrersitz. Es ist neblig. November. Die Straßenlaternen über uns lösen sich an den Rändern auf. Meine Freundin lacht, sagt, die sehen aus wie Ufos. Ich bin still und überlege, ihr die Wahrheit zu sagen, nur weil sie den Abend über meine Hand gehalten hat: Lichter, die über mir in schwarz, grün und gelb verlaufen, erinnern mich an die Deckenbeleuchtung auf einer Intensivstation. Das traurige Mädchen sagt nichts.

Daheim, 3:46 Uhr, meine Freundin duscht. Ich liege auf unserem Bett. Als wir eingezogen sind, haben wir uns diese Sterne gekauft, die im Dunkeln leuchten – ein Akt der Rebellion gegen das Erwachsenwerden, habe ich gesagt und damit gemeint: Manchmal vergesse ich, dass ich 19 bin aber trotzdem noch 14 und 8. Ich hab' ein schiefes Gesicht auf den Mond gemalt und du hast die Augen verdreht. Das traurige Mädchen steigt aufs Bett, streicht mit ihren Fingern über die Augen, die Nase und den Mund und zeigt mir danach ihre blutigen Hände. Sie weint und legt sich auf den Boden.

Meine Freundin kommt zurück, setzt sich neben mich und füllt den Raum mit dem Geruch von Antiseptikum. Sie sagt nichts. Ich sage nichts. Weil es manchmal nichts zu sagen gibt, wenn zwischen ihr und mir ein Krater liegt – groß und tief, aber trotzdem weich. Sie küsst mich, und alles, was ich höre, ist zum ersten Mal nichts und es ist ok –

Dass ich in manchen Nächten immer noch verhungere, und du mir in anderen zeigst: Straßenlaternen sind Ufos. Autos sind Ufos. Gesichter auf unserer Zimmerdecke sind Ufos. Ufos sind traurige Mädchen und Handhalten mit einem Mädchen, und seitdem du sie gesagt hast, die Worte Ich liebe dich.